12% Radverkehrsanteil in Bad Oeynhausen

Vor etwas mehr als 3 Jahren, im November 2010, wurde das Integrierte Klimaschutzkonzept für die Stadt Bad Oeynhausen vorgestellt. Neben vielen Dingen zur energetischen Sanierung von Gebäuden, der Energiegewinnung und -einsparung, waren auch etliche Punkte zur Mobilität enthalten. Klar, ÖPNV ist da ein Thema, aber auch der Radverkehr. Ich habe die dort veröffentlichten Zahlen so verstanden, dass wir hier einen Anteil von ca. 15% der Alltagsmobilität mit dem Fahrrad erledigen (Stand 2007). Das ist nicht so viel, dass man es sich ans Revers heften könnte, aber tatsächlich mehr, als ich erwartete. Was ich von dieser Zahl halten soll, weiss ich nicht so genau, denn das letzte Mal ermittelt wurde der Modal Split im Rahmen des Generalverkehrsplans in 1988 und seitdem nur fortgeschrieben – so die Formulierung.

Logo: Fahrrad

Festgeschrieben wurden in diesem Klimaschutzkonzept unter anderem 3 Maßnahmen zur Steigerung des Anteils klimafreundlicher Mobilität bzw. des Radverkehrs. Zum einen soll ein Verleihsystem von (Elektro)Fahrrädern installiert, zum anderen die Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Fahrradverkehr  intensiviert werden. Weiterhin ist die Radverkehrsinfrastruktur auszubauen. Jede dieser Maßnahmen kann den Radverkehrsanteil voraussichtlich um 1-2% steigern. Laut dem Konzept entspricht eine Verschiebung der Mobilitätskennzahlen von 1% vom motorisierten Individualverkehr hin zum Fahrrad einer CO2-Entlastung von ca. 1.800 Tonnen im Jahr. Ziel ist eine Quote von 21% im Jahr 2020. In den bisherigen Zwischenberichten fanden sich allerdings nur wenige Hinweise auf die Umsetzung der Maßnahmen oder einen etwaigen Erfolg bzw. aktuelle Zahlen zum Modal Split.

So wird für die Jahre 2011/2012 als Beitrag zur Radverkehrsinfrastruktur ein 200 Meter langer „Bürgerradweg“ an der Weserstraße erwähnt, bei dem ich lange reden musste, bis die (beidseitige!) Benutzungspflicht aufgehoben wurde – da baulich nicht geeignet und Benutzungspflicht auch nicht notwendig. Bleibt also ein Gehweg „Radfahrer frei“. Mit Verlaub … das ist nichts, was für Radfahrer getan wurde. Im Gegenteil, die ursprüngliche Benutzungspflicht war sogar gegen einen flüssigen und sicheren Radverkehr, denn auf der Fahrbahn fährt man dort deutlich besser! Der Bericht für die Jahre 2012/2013 erwähnt das Wort „Rad“ gar nur auf der allerletzten Seite. Dort wird erwähnt, dass es seit März 2013 eine Fahrradbeauftragte gibt. Mehr nicht. Ich warte immer noch auf die vielen Artikel in der Presse, in der die grundsätzliche Benutzung der Fahrbahn durch Radfahrer erklärt wird oder auf die Aufhebung von Benutzungspflichten, an z.B. der Eidinghausener Straße, hingewiesen wird. Das ist für Radfahrer.

Im letzten Ausschuss für Stadtentwicklung wurden im Rahmen der Aufstellung des Masterplans klimafreundliche Mobilität in Bad Oeynhausen die Ergebnisse der Bestandsanalyse und der Mobilitätsuntersuchung vorgestellt. Auf Basis einer wohl halbwegs repräsentativen Umfrage unter den Bad Oeynhausener Bürgern wurde bestätigt, was jeder sehen kann: Bad Oeynhausen ist eine Autofahrerstadt. 610 Kraftfahrzeuge pro 1.000 Einwohner – nicht der Menschen, die ein Kraftfahrzeug fahren können oder dürfen. Hier hat also wirklich fast jeder ein Auto. Und natürlich ist unsere Familie mit den beiden Autos und zwei Rollern da keine Ausnahme. Allerdings haben auch nicht mal 70% der Haushalte ein (betriebsbereites) Fahrrad. Bei uns im Haushalt sind’s bereits 6 Stück!

Wir benutzen diese Fahrräder auch. Leider andere nicht. Selbst kürzeste Wege bis zu einem Kilometer werden zu 25% mit dem Auto zurückgelegt – ich sehe das ja regelmäßig morgens beim Bäcker. Zwischen ein bis zwei Kilometern setzen sich schon fast 60% der Befragten hinter’s Steuer und bei bis zu 5 Kilometern benutzen bereits 75% das Auto! Ich habe ja schon darüber geschrieben ;-) Da ist tatsächlich noch viel Potential.

Leider stellte sich der aktuell ermittelte Radverkehrsanteil anders dar, als noch vor 3 Jahren mitgeteilt. Statt 15% nur noch oder tatsächlich erst 12%. Auf meine explizite Nachfrage, wie das zusammen hängt, wurden die 12% noch einmal bekräftigt, die Zahlen seien relevant und korrekt ermittelt. Nun, dann kann ja nur die Fortschreibung auf Basis 1988 aus dem Klimaschutzkonzept nicht ganz richtig sein. und wenn wir uns über Steigerungsraten im gerade mal einstelligen Prozentbereich je Maßnahme unterhalten und nur 5% – 6% Steigerung als Gesamtziel festzurren, dann sind 3% Differenz beim Ausgangswert schon eine ziemliche Hausnummer. Ernüchternd auch, dass in Bad Oeynhausen 9% mehr Auto gefahren wird, als im Bundesdurchschnitt (68% zu 59%). ÖPNV findet abseits des Schülertransports augescheinlich so gut wie gar nicht statt (Letzteres bedeutet aber doch auch, dass wir eigentlich alle kostenlose Busnutzung anbieten können – wird doch aktuell fast komplett über den Schülerverkehr bezahlt und die Busse fahren ansonsten leer! Schaut nach Tallin!).

Für mich hört sich das ein bisschen so an, als sei man nicht mit ganzem Herzen dabei. Tatsächlich war z.B. ein zentraler Punkt der Maßnahme Öffentlichkeitsarbeit, die Teilnahme auch der Verwaltung an der Aktion „Mit dem Rad zur Arbeit“. Die Quote innerhalb der Verwaltung lag mit deutlich unter 10% noch wesentlich unter dem Bad Oeynhausener Gesamtwert. Als positives Beispiel also eher ungeeignet. Außer dem einen Zeitungsartikel zur AOK-Aktion ist mir unter Öffentlichkeitsarbeit auch nichts besonders aufgefallen. Ein Fahrradverleihsystem gibt es in Bad Oeynhausen – allerdings wird die Radstation nicht von der Kommune betrieben und mir ist auch keine explizite Förderung bekannt. Und die Radverkehrsinfrastruktur? Nun, ich will ja gar nicht noch mehr! Erstmal das in Ordnung halten, was schon da ist. Das klappt aber bereits nicht!

21% Radverkehrsanteil in 2020? Das sehe ich so bei uns noch gar nicht. Dazu passiert einfach zu wenig in dieser Richtung.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

1 Kommentar zu „12% Radverkehrsanteil in Bad Oeynhausen

  1. Moin, moin!

    Die Probleme in Oeynhausen sind so offensichtlich, daß man gar nicht weiß wie und wo man anfangen soll. Im Grunde genommen kann man sich die ganze Klimageschichte komplett vergessen. Bad Oeynhausen alleine wird nicht die Welt retten und ein attraktives ganzheitliches Verkehrskonzept schafft eine CO2-Einsparung von ganz allein. Viel entschiedener ist es den Menschen klar zu machen, dass eine bessere Verteilung der Mobilität die Lebensqualität in einer Stadt ganz entscheidend verbessern kann.

    Das geht natürlich nur bei einer passenden Grundlage. Hier ist dann die Stadt am Zug. Wobei schon ein paar einfache Grundideen reichen würden, um die Situation zu verbessern.

    a) Gute Wege-Beschilderung der Radrouten. Dafür braucht man ein stimmiges Konzept. Den Punkt halte ich noch für halbwegs erfüllt.

    b) Grundsätzlich Radverkehrsanlagen nur dort anlegen, wo diese zwingend geboten sind. Alles abseits der Hauptstraßen und der reinen Radwege verbietet sich damit von alleine.

    c) Diese paar Radverkehrsanlagen ordentlich im Sichtfeld der Kraftfahrer „auf der Fahrbahn“ markieren. (Keine schmalen Schutzstreifen; nicht den Radler zu den Fußgängern an den Rand drängen; keine Geradeausführung neben Abbiegespuren für Kraftfahrzeuge, grundsätzlich keine Hochbordradwege etc. pp.)

    d) Gute Radverkehrsanlagen brauchen keine Benutzungspflicht.

    Diese paar Erkenntnisse würden als Grundlage für eine positive Entwicklung des Radverkehrs schon reichen. Leider werden hier selbst die einfachsten Grundsätze von vermeintlichen Fachleuten nicht verstanden. Das Interview in der NW vor etlichen Monaten war diesbezüglich ein Offenbarungseid. Das Ergebnis sieht man allen Orten. Im Anschluss wundert man sich dann, daß bei einer Planung durch die Windschutzscheibe sich alle animiert sehen ins Auto zu steigen oder mit dem Rad kreuz und quer zu fahren, weil die Radverkehrsanlagen ja in ähnlicher Weise kopflos angelegt worden sind.

    Die Infrastruktur macht alle zu Autofahrern und die vielen Autofahrer wollen eine auf sie ausgerichtete Infrastruktur. Ein Teufelskreis.

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