Radverkehrskonzept Kreis Minden-Lübbecke
Ich bin 2008 über die Ankündigung zur Erstellung eines Radverkehrskonzepts zur Lokalpolitik und zum ADFC gekommen. Seitdem habe ich an einiger solcher Konzepte mitgewirkt. Sicher ein gutes halbes Dutzend – in einem überschaubaren Zeitraum von 13 Jahren und einem eingeschränkten Wirkungskreis, nämlich hier der Stadt und vielleicht etwas darüber hinaus. Allein daran kann man schon sehen, dass inhaltlich das sprichwörtliche Rad nicht neu erfunden wird. Nun schickt sich als oder Kreis ebenfalls an, ein Radverkehrskonzept zu erstellen.
Ich bin als aktives Mitglied des ADFC in Bad Oeynhausen ebenfalls eingeladen worden und habe mir den Nachmittag des 8. November 2021 im Büro frei genommen, um in Minden im Preußenmuseum am Simeonsplatz an der Auftaktveranstaltung teil zu nehmen. Es stellte sich zunächst das beauftragte Stadt- und Verkehrsplanungsbüro Kaulen aus Aachen vor und begann dann mit der Erläuterung der Vorgehensweise zur Erstellung des Radverkehrskonzeptes. Und ich ächzte.
Es wird wieder einmal mit der meiner Meinung nach falschen Fragestellung begonnen: “Wo würden Radfahrende fahren?”
Man möchte Start- und Zielpunkte ermitteln und dann ein Luftliniennetz erstellen, um folgend zu schauen, ob es auf den Strecken der ermittelten Start- und Zielpunkte Radverkehrsinfrastruktur gibt.
Es gibt dieses Netz bereits. Es besteht aus allen Straßen, die alle möglichen Starts und Ziele verbinden. Ich als Fahrradfahrer möchte diese einfach nutzen können! Ich möchte irgendwo starten und an einem beliebigen Ziel ankommen. Genauso, wie es jeder andere Verkehrsteilnehmer, der für sich 10m² Fläche beansprucht und seine 100 Kg Körpergewicht mit 1,5 Tonnen Stahl um sich herum von A nach B bewegt auch tut. Der richtige Weg wäre zu schauen, auf welchen wenigen Strecken dieser motorisierte Individualverkehr zukünfig innerhalb von Städten noch vom Start zum Ziel gelangt und alles andere für den Rest optimieren!
Aber nein, wir beginnen wieder bei Adam und Eva, nehmen alle Straßen als für das Auto vom Himmel gefallen hin und schauen, wie ich da noch das platz- und energiesparende Fahrrad rein quetschen kann – natürlich ohne dem Auto Platz weg zu nehmen. Es wird ein Radnebennetz ermittelt, das Radhauptnetz (z.B. Radschnellweg) ergänzt und man erhält das Gesamtnetz „Alltagsradverkehr“. Danach wird geschaut, ob es dort Straßen gibt. Spoiler: ja, die gibt es dort! Anhand der ermittelten Routen wird durch Befahrung der Straßen die Qualität und das Vorhandensein von Radinfrastruktur ermittelt. Das als ein mögliches Ziel sicher ein halbes Dutzend mal der Kaiser Wilhelm erwähnt wurde – oben auf dem Berg und sicher alles andere als ein Endpunkt für den Alltagsradverkehr – lässt mich ein bisschen zweifeln, was die dabei herauskommenden Routen angeht.
Sind die Routen auf den Straßen ermittelt, werden die Qualitätskriterien festgelegt. Auf meine Frage, inwieweit die ERA dabei berücksichtigt wird, wurde sehr ausweichend erläutert, dass die ja auch nicht überall der Weisheit letzter Schluss sei (meine Übersetzung der Antwort!). Tatsächlich wurden wassergebundene Decken im Nebennetz als völlig in Ordnung dargestellt. Klar, ich finde es super, wenn ich bei Nieselregen mit eingesauter Hose auf der Arbeit ankomme. So wird es denn auch keine Verpflichtung geben, die definierten Qualitätskriterien auch umzusetzen.
In der anschließenden Diskussionsrunde wies ein Teilnehmer (ich meine des Klimabündnis Minden-Lübbecke) auf die Verteilung der Verkehrsflächen hin und regte an, hier umzuverteilen. Das wurde von der Präsentatorin aber recht schnell weg gewischt, so dass ich mich auch noch gemeldet habe und dieses Ansinnen deutlich unterstrich. Ohne eine Umverteilung wird es nicht funktionieren. Wir müssen den Radverkehr auf allen Strecken stärken und ein sicheres Vorkommen ermöglichen. Sonst wird das nichts mit der Verkehrswende. Ich war da etwas ausführlicher und sicher auch fordernder als mein Vorredner. Daraufhin meldete sich aus dem Hintergrund ein Herr (ich vermute Mitarbeiter des Kreises) und schloss das schon von vornherein ziemlich kategorisch aus. Man müsse erstmal sehen, was man tun könne, ohne gleich „irgendwem was weg zu nehmen“. Ich habe daraufhin nur sehr lakonisch erwidert, dass genau das bisher der Grund ist, warum sich nichts zu Gunsten des Radverkehrs ändert. Hatte nicht den Eindruck als hätte das zu Amüsement hinter mir geführt.
Insgesamt war ich von der Veranstaltung entäuscht. Es ist alles wie immer und Menschen, die schon mehrfach an der Erarbeitung solcher Konzepte mitwirkten, werden ein Déjà-vu nach dem anderen gehabt haben.
Als nächster Schritt wird dann im Februar 2022 das vom Planungsbüro ermittelte Streckennetz vorgestellt und in Bürgerworkshops besprochen werden. Auch das ist wie gehabt. Es wird etwas fertiges präsentiert, auf das dann nur noch sehr wenig Einfluss genommen werden kann. Änderungswünsche werden dann mit „aber wir sind doch schon einen Schritt weiter“ kommentiert werden. Ich mache das offensichtlich schon zu lange mit, um optimistisch an sowas ran zu gehen.
Bin nichtsdestotrotz auf den Fortgang gespannt.
Hallo Andreas,
Schöner Beitrag. In einem Stimme ich nicht überein. Man kann den Autofahrenden nichts wegnehmen. Man kann es nur wiederholen. Schließlich wurde der Radfahrende ja in den 60er Jahren von der Straße auf den Fußweg verbannt.
Gruß Hark
Siehe auch pro-fahrrad-hasbergen
Tatsächlich wurde das „Verbannen“ der Radfahrenden sogar noch früher gestartet …
Was soll man bei einer gemeinsamen Fahrbahn, die der Normalfall ist, umverteilen?
Der Zweck der Konzepte ist sicherlich nicht, etwas für den Radverkehr zu verbessern.
Hallo Andreas,
ich verstehe Deinen Frust, vor allem, wenn ich mir den Koalitionsvertrag angucke: Zwei Sätze zum Radverkehr: „Wir werden den Nationalen Radverkehrsplan umsetzen und fortschreiben, den Ausbau und die Modernisierung des Radwegenetzes sowie die Förderung kommunaler Radverkehrsinfrastruktur vorantreiben. Zur Stärkung des Radverkehrs werden wir die Mittel bis 2030 absichern und die Kombination von Rad und öffentlichem Verkehr fördern.“
Dazu kein Tempolimit, Herr Wissing(FDP) als Verkehrsminister usw…da können sich einem schon die Nackenhaare aufstellen. Da zeigt sich die ganze Problematik: Wir müssen es wollen!!!
• Wir müssen Klimaschutz wollen
• Wir müssen Verkehrswende wollen
Wenn wir es nicht wollen, dann sollten wir diese Konzepterarbeitungen, diese Scheinaktivitäten sein lassen. Wir ersparen uns viel Zeit und Geld.
Ein Radverkehrskonzept ist notwendig, aber nicht als Schubladenfüller… noch würde ich den Auftakt optimistisch angehen, aber ich habe es auch häufig genug erlebt, dass von den großartigen Planungen nur ein paar Schutzstreifen und Piktogramme übrig blieben.