Wie steigert man den Radverkehrsanteil?
Gestern besuchte ich einen Kurs/Workshop/Diskussionrunde der VHS-Löhne mit dem Thema „Mobilitätswende Zukunft Umstieg vom Auto aufs Fahrrad„, veranstaltet vom ADFC in Löhne. Als Dozent war der Geschäftsführer des ADFC in NRW, Herr Daniel Wegerich gewonnen werden. Während des gut besuchten Workshops wurden viele Dinge genannt, die man als Radaktivist eh weiß und als ADFCler sowieso. Allerdings finde ich auch, dass ein regelmäßiger Austausch in so einem Kreis durchaus hilfreich ist.
Mit einer These war ich allerdings gar nicht einverstanden, fand sie sogar kontraproduktiv und war sehr erstaunt, dass das nun die offizielle Linie des ADFC sein soll. Nach den Gründen für die Nichtnutzung des Fahrrads gefragt, antworten viele Menschen mit dem fehlenden Sicherheitsgefühl. Und wenn dann weiter gefragt wird, hört man jedesmal, dass sich Menschen auf kombinierten Geh- und Radwegen „sicher fühlen“. Und nun will der ADFC dieses Sicherheitsgefühl bedienen und jenseits aller bisherigen Erfahrungen und angesichts der fehlenden Fläche in Innenstädten auf eine Separierung der Verkehrsarten setzen? Das hatte ich bisher so nicht verstanden und meine konträre Meinung auch zum Ausdruck gebracht.
Um es mal ein wenig überspitzt zu formulieren: Wir können doch nicht auf besorgte Autofahrer hören, die sich Schlangenlinien fahrend mit dem Rad auf einem Gehweg sicherer fühlen, als zwischen ihresgleichen auf der Fahrbahn! Wir wissen, wo die Unfälle passieren und warum. Daran muss man etwas drehen und nicht noch mehr solcher Infrastruktur schaffen, die Fahrradfahrende in genau diese gefährlichen Situationen bringt!
Dazu fiel mir dann auch ein Artikel von Volker aus dem nicht-ganz Nachbarort Lügde ein, der sich vor einigen Monaten fragte, was man wollen muss, um den Radverkehr zu stärken.
Soheit – 16.06.2018: Verkehrspolitik und der Sand in den Augen
… Tja, das ist das Problem – wie so oft – das Gegenteil von dem zu machen, was wir immer so gemacht haben. Doch die Denke ist noch nicht so weit …
Daniel Wegerich hatte gestern einen schönen Satz mitgebracht – ich glaube aus Dänemark – warum Menschen dort mit dem Fahrrad fahren: Weil es bequem und sicher ist!
Genau dahin muss die Politik und die Verwaltungen arbeiten. Nicht an das Gewissen apellieren, sondern Infrastruktur verändern und andere Verkehrsarten soweit sensibilisieren (von mir aus auch mit Druck, freiwillige Selbstverpflichtungen bringen nie etwas – siehe Rauchverbot), dass Menschen sehen „Fahrradfahren ist bequem und sicher“. Ich fahre wirklich aus Bequemlichkeit mit dem Rad. Es ist schneller, ich kümmere mich nicht um Parkplätze, ich kann die Fahrtzeit besser planen und auch wenn die bessere Hälfte vor einigen Wochen von einem Deppen der nicht geguckt hat auf den Asphalt geschickt wurde – ja, Fahrradfahren ist auch sicher.
Die anderen Verkehrsarten sind der Gefahrenfaktor. Diese Drehung im Denken ist der ganz große Schritt, den wir hinbekommen müssen!
Dieser „Rollback“ (ins finsterste Radweg-Mittelalter), den viele beim ADFC in letzter Zeit vollführen, kann ich ebenfalls nicht nachvollziehen. Was auch der Grund ist, warum ich dort wohl nie Mitglied sein werde. Wie ich es generell nicht verstehe, dass in unseren Zeiten „Gefühlen“ immer mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird, als Fakten. Und noch weniger verstehe ich, dass diese „Gefühle“ (eigentlich geht es ja um Ängste) auch noch als unabänderlich dargestellt – und das Handeln allein daran ausgerichtet wird…!
Ich hatte gestern eine Veranstaltung zu einem neuen Verkehrsentwicklungsplan besucht. Auch da herrschte den Radverkehr betreffend genau diese „Gefühlsduselei“ vor. Und mehr oder weniger wurde ich (der mit dem Rad hier prima klarkommt) dann als „furchtloser“ Extremfall betrachtet… Das bin ich aber nicht. Ich fahr einfach nur Rad in einer Stadt mit < 1 % Radverkehrsanteil. Weil es geht. Und nicht, weil ich so ein besonderer Mensch wäre, sondern weil ich es irgendwann gelernt habe.
Was ich allerdings kontraproduktiv halte ist, Radfahren unbedingt als "bequem" zu bezeichnen. Fortbewegung (mit dem Rad) im Alltag ist für mich in erster Linie: Alltag. "Bequemlichkeit" ist was anderes – und weckt eher wieder Erwartungen, die so oder so nicht erfüllt werden können. Die Menschen in Dänemark oder anderen "Radhochburgen" fahren dort m. E. einfach auch aus Gewohnheit. Es gehört zur Kultur. Man wird so sozialisiert. So, wie in anderen Städten dann auch Kinder schon von kleinauf ans Auto gewöhnt werden.
In der Diskussion zum Thema Kfz-Verkehr merkte ich dann auch an: Autofahren müsste im Grunde (vor allen in den Stadtzentren) mindestens genau so "unbequem" werden, wie es viele verhinderte(!) Radfahrer empfinden. Die Gründe, die heute viele hindern, aufs Rad zu steigen, müssen den Autofahrer irgendwann hindern, ins Auto zu steigen.
Und das geht auch nicht, indem man dem Autofahrer weiterhin eine von "Radfahrern freie Bahn" beschert! So oder so: Das ist keine Frage von Jahren, sondern Generationen.
Das ist doch seit Jahren das Mantra des ADFC Bundesverbandes und fast genauso lang des LV NRW: Wir richten uns danach, von dem wir annehmen, dass die meisten Ich-kann-mit-auch-vorstellen-Radzufahren-Radler es meinen. Sozialwissenschaftliche Erkenntnisse zu Antwortpräferenzen hin zu Antworten, die man als sozial erwünscht empfindet werden dabei ausgeblendet, damit die Parolen und Forderungen so schön eingängig bleiben und auf Bilder reduzierbar sind. Was – soweit das möglich ist – wissenschaftlich sinnvoll wäre, interessiert schon lange nicht mehr. Da wird das Thema viel zu komplex und passt nicht mir in Twitter-Tweets.
Damit dass der ADFC Radfahren als gefährlich kommuniziert, trägt er zentral dazu bei, dass die Leute lieber nicht Radfahren. Und das sagt die Politik: Wozu sollen wir was für den Radverkehr tun, wenn eh kaum jemand fährt.
Wenn man sich mit Verkehrs(planungs)geschichte ein bisschen auskennt, weiß man, dass die Ablehnung des Autos schnell ins Gegenteil umschlug. Das brauch keine Generationen, aber eine völlig andere Botschaft als „Radfahren ist so verdammt gefährlich, dass man das nur in extra Räumen (PBL, …)