Stand „Papierloser Rat“

Ein bisschen unwillig war ich beim Lesen des Tweets schon, das will ich nicht verhehlen. Impliziert er doch, die Ratsmitglieder hätten sich überlegt, der Bürger solle ihm mal schnell IPads spendieren. Tatsächlich ist ja genau das nicht der Fall. Es handelte sich um eine Vorlage der Verwaltung, welche in der vorgestellten Form einstimmig nicht beschlossen wurde. Dazu gekommen ist es über das Bestreben, Kosten zu senken. Deshalb ist die Verwaltung tätig geworden. Dabei ging es aber nie und zu keiner Zeit darum, zusätzliche Hardware anzuschaffen. Mindestens ich habe das auch deutlich kritisiert und darum gebeten, das auszuschließen!

Nachdem im Mai 2012 bereits eine papierlose Verteilung von Unterlagen getestet wurde, stand am 20.05.2015 im Hauptausschuss und am 24.06.2015 im Rat folgender Beschlussvorschlag auf der Tagesordnung:
Beschlussvorschlag:
Der Rat beschließt die Umsetzung der papierlosen Ratsarbeit für Rats- u. Ausschussmitglieder beginnend ab 01.08.2015.

Die dazu notwendige ungeplante Mehrauszahlung ist außerplanmäßig bereitzustellen.

Die notwendige Änderung der Geschäftsordnung wird wie in der Anlage aufgeführt beschlossen.

Sachverhalt:
Mit Beschlussfassung zur Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2015 hat der Rat der Stadt Bad Oeynhausen in seiner Sitzung am 17.12.2014 die Einführung der papierlosen Ratsarbeit ab der zweiten Jahreshälfte als eine der Konsolidierungsmaßnahmen beschlossen. Damit hat der Rat schon die Bereitschaft erklärt, zusammen mit der Verwaltung das vorhandene Verfahren zum Informationsaustausch ausschließlich elektronisch zu nutzen, um dadurch Haushaltsmittel einzusparen.

Die Stadt Bad Oeynhausen setzt bereits seit dem 01.01.2007 ein Ratsinformationssystem ein, über das die Sitzungsunterlagen für Rat, Ausschüsse und verschiedene weitere Gremien für alle Ratsmitglieder zugänglich sind.

Der Versand der Sitzungsunterlagen erfolgt bisher noch in Papierform und zwar derart, dass (mit drei Ausnahmen) alle Ratsmitglieder alle Unterlagen aller Sitzungen erhalten.

Zukünftig sollen die Unterlagen (intern wie extern) nur noch über das Ratsinformationssystem digital zur Verfügung gestellt werden.

Neben der Einsparung von Haushaltsmitteln soll Ziel der konsequenten Umstellung auf das papierlose Arbeiten sein, dass die Verwaltung zusammen mit den Rats- u. Ausschussmitgliedern den Papierverbrauch deutlich reduziert und damit einen umweltbewussteren und –schonenderen Umgang mit natürlichen Ressourcen erreicht (klimaengagiert).

Außerdem gelingt durch die ausschließlich papierlose Arbeit mit verkürzten Arbeitswegen und schnellerer Bereitstellung der Unterlagen eine Prozessoptimierung auf beiden Seiten der Gremienarbeit.

Technik und Verfahren
Das Verfahren ALLRIS net Ratsinformationssystem der Firma CC e-gov GmbH mit Sitz in Hamburg wird bereits seit Jahren überzeugend in der Verwaltung der Stadt Bad Oeynhausen genutzt und vom Hersteller stetig fortentwickelt. Mit Blick auf die mögliche Einführung der papierlosen Gremienarbeit wurden die Einstellungen für Bad Oeynhausen bereits so angepasst, dass z.B. eine einheitliche Kommunikation zwischen Verwaltung und Politik über zusätzliche Vorlagenformate erfolgen kann.

Mit der verbesserten Möglichkeit der Informationsbereitstellung über einen elektronischen Sitzungsdienst wird sich der Mandatsträger praktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit komplett informieren und mit anderen Anwendern austauschen können – und das nicht nur über aktuell anstehende Sitzungen. Eine leistungsfähige Textrecherche über alle Sitzungen und Vorlagen wird ihn dabei unterstützen. ALLRIS bietet eine passgenaue, benutzerfreundliche App für die mobile Nutzung an, mit der alle sitzungsrelevanten Informationen und Termine auch für den Offlinebetrieb verfügbar werden.

Um allen Ratsmitgliedern die komfortable Teilnahme an der papierlosen Gremienarbeit mit dem Ratsinformationssystem zu ermöglichen, ist es vorgesehen, dass die Verwaltung zentral für alle Ratsmitglieder einheitlich mobile Endgeräte (iPads) anschafft und für die Dauer der Wahlperiode leihweise zur Verfügung stellt.

Durch eine Erhöhung der Bandbreite des vorhandenen WLAN-Angebotes in den Sitzungsräumen im Rathaus I wird allen Ratsmitgliedern gleichzeitig kostenfreies Arbeiten über den Internetzugang ermöglicht.

Auf Antrag werden im begründeten Ausnahmefall weiter gedruckte Sitzungsunterlagen erstellt und verschickt.

Alle anderen Mitglieder der Ausschüsse und Gremien, die nicht dem Rat der Stadt angehören, erhalten ebenfalls Zugang zum WLAN, können aber aufgrund ihrer hohen Anzahl (91 Mitglieder) bei geringer Sitzungsteilnahme pro Kopf nicht von der Verwaltung mit mobilen Geräten ausgestattet werden.

Da in den Sitzungen bereits verstärkt Mitglieder mit mobilen Geräten angetroffen werden und parallel auch deren Nachfrage nach WLAN-Zugangsdaten gestiegen ist, wird davon ausgegangen, dass inzwischen ein großer Anteil der sonstigen Mitglieder das Ratsinformationssystem nutzen kann und will. Daher sollten diese Mitglieder grundsätzlich als Teilnehmer der papierlosen Gremienarbeit betrachtet werden. Wie bei den Ratsmitgliedern sollen auf Antrag weiterhin gedruckte Unterlagen ausgegeben werden.

Für September 2015 sind Schulungstermine reserviert worden, in denen sich die Mandatsträger hinsichtlich der Handhabung der Geräte wie auch der mobilen Nutzung von Allris inklusive der App informieren lassen können.

Kosten
Die bisherigen Aufwendungen setzen sich insbesondere aus den Kosten für Papier, Druck- bzw. Kopierkosten sowie Versand- und Personalkosten zusammen.

Im Jahr 2014 wurden rund 280.000 Blatt Papier nur für den Versand an Ratsmitglieder und weitere 25.000 Blatt für die übrigen Ausschussmitglieder sowie anteilig darin für Verwaltungsmitarbeiter bedruckt, was jährlichen Druckkosten von über 15.000,00 € (ohne Personalkostenanteil Hausdruckerei) entspricht. Dabei noch unberücksichtigt sind die Druckkosten für Unterlagen kleinerer Gremien wie den Arbeitsgruppen, die nicht gesondert gelistet werden, trotzdem aber sehr regelmäßig anfallen.

Die Kosten für den Versand betrugen rund 5.000,00 €, gesamt also 20.000,00 €.

Nach Recherchen und Einholung erster unverbindlicher Angebote sollen aus Sicht der Verwaltung zur Umsetzung der papierlosen Ratsarbeit einheitliche Geräte gekauft werden, womit ungeplante investive Mehrausgaben von ca. 40.000,00 € anfallen. Bisherige Planungen waren von rein konsumtiven Maßnahmen ausgegangen. Die ungeplante Mehrauszahlung ist außerplanmäßig bereitzustellen, ein Deckungsvorschlag wird von der Verwaltung erarbeitet.

Bei Einführung der papierlosen Gremienarbeit ist mit einer jährlichen Ersparnis von 5.500,00 € zu rechnen. Das laut Konsolidierungsmaßnahme geplante Einsparpotential von 11.000,00 € kann voraussichtlich nicht erreicht werden.

Eine detaillierte Kostenschätzung dazu finden Sie in der Anlage.

Dazu hatte ich mich natürlich auch geäußert; in der Presse wurde ich arg verzerrt zitiert :-) Natürlich finde und fand ich den Verzicht auf Papier immer noch dringend notwendig, jedoch sollten die Ratsmitglieder sich die benötigten Geräte gefälligst selbst beschaffen. Ein Auto oder Fahrrad um in den Ratssaal zu gelangen, wird ja auch nicht gestellt – und Hosen zum Anziehen während der Sitzungen auch nicht. Auf genau dem Level sehe ich nämlich im Jahr 2015 den Besitz eines Gerätes zum Anzeigen elektronischer Dokumente. Das kann ein Handy, Tablet oder Laptop sein. Mir egal. Irgendwas wird man haben.

Tatsächlich wurde der Beschluss im Hauptausschuss am 20.05.2015 nicht gefasst, sondern die Situation stellte sich wie folgt dar:
Beschluss
Im Laufe der Beratungen wird Einigkeit erzielt, noch keinen Beschluss über die Einführung der papierlosen Ratsarbeit zu fassen.

Die Verwaltung wird beauftragt weitere Umsetzungsvarianten zu erarbeiten und in der nächsten Sitzung des Hauptausschusses vorzustellen

In der nächsten Hauptausschussitzung, welche aufgrund der Sommerpause erst am 23.09.2015 stattfand, war das Thema nur in einer Bekanntgabe vertreten:Bekanntgaben
Die Verwaltung teilt mit, dass ein neuer Vorschlag zur wenigstens teilweisen Einführung der papierlosen Ratsarbeit zum nächsten Hauptausschuss vorgelegt wird.

Die Verwaltung hatte nach der letzten Sitzung des Hauptausschusses bei den Fraktionen abgefragt, inwieweit fraktionsintern die Bereitschaft zum Wechsel auf digitale Ratsarbeit besteht. Aufgrund des offensichtlich noch großen Gesprächsbedarfs innerhalb der Fraktionen lagen die letzten Antworten aber erst weit nach den Sommerferien vor.

Aktuell werden noch neue Angebote zur Hardware erwartet, erst dann kann das Konzept komplett neu überarbeitet werden, um die von den Fraktionen favorisierten Nutzungsvarianten einzuarbeiten.

Im angesprochenen nächsten Hauptausschuss am 25.11.2015 hatte die Verwaltung allerdings keinen Tagesordnungspunkt zum „Papierlosen Rat“ vorgesehen. Trotzdem wurde es in einer Nachfrage im öffentlichen Teil angesprochen: Anfragen
6.1 RH Büssing fragt nach dem Sachstand zur Einführung der digitalen Ratsarbeit.

BM Wilmsmeier antwortet, dass die digitale Ratsarbeit wie andere Prüfaufträge auch Thema der AG Haushaltskonsolidierung sind und demnächst auch im Ältestenrats besprochen werden soll.

SBLin Vornheder ergänzt, dass die Rückmeldungen der Fraktionen dazu im SB I vorliegen.

Tatsächlich wurde im Ältestenrat am 17.11. darüber gesprochen – allerdings soweit ich weiß ohne konkrete Ergebnisse.

Ich habe mir inzwischen auch für ca. 150 € ein Android-Tablet besorgt und kann darauf die Allris-App für das Ratssystem nutzen. Das geht sogar halbwegs ordentlich – sieht man mal von der Mögllichkeit der kurzen handschriftlichen Notiz auf einem Zettel ab. Auf meinem Ultrabook wäre es selbstverständlich auch möglich, aber so ein 10-Zoll-Tablet ist für’s reine Lesen schon etwas angenehmer.

Klar ist allerdings, dass es nur dann Einsparungen im Bereich der Ratsarbeit gibt, wenn die Geräte durch die Ratsmitglieder selbst beschafft werden und alle mitmachen. Alles andere erzeugt parallele Kosten und wird unter Umständen sogar noch teurer, als es jetzt schon ist. Es gibt Ratsmitglieder, die nicht auf elektronische Medien umsteigen wollen und weitere möchten auf gar keinen Fall selbst ein Gerät von den ausgezahlten Aufwandsentschädigungen anschaffen. Unter den Voraussetzungen wird das mit Einsparungen leider nichts. Und ich bin sogar ein bisschen unzufrieden, wenn ich und andere selbst Geräte beschaffen (ein paar sitzen schon mit Tablet/Laptop im Ratssaal) und freiwillig auf Papier verzichten (letzteres habe ich noch nicht getan) und andere weiter alles geliefert bekommen (was durchaus bequem ist!) und/oder ein Gerät von der Verwaltung/Bürger gesponsort wird.

Das ist der Stand der Dinge.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

4 Kommentare zu „Stand „Papierloser Rat“

  1. Hallo Andreas,

    danke für die ausführliche Zusammenfassung. Getriggert wurde mein Tweet von einer Diskussion um die Einführung von iPads im Rat einer anderen Kommune. Als die Aussage ‚Ich finde es gut, dass wir ein iPad geschenkt bekommen…‘ von mir mit einem ‚Aber das sind doch Steuergelder…‘ bedacht wurde, kam mir in den Sinn, dass Oeynhausen auch über iPads nachgedacht hat.

    Du schreibst: „Dabei ging es aber nie und zu keiner Zeit darum, zusätzliche Hardware anzuschaffen.“ Das verstehe ich nicht: Ich verstehe den ersten Vorschlag der Verwaltung so, dass sehrwohl 55 (?) iPads gekauft werden sollen…?!

    Zum Thema Leihgerät für eine Wahlperiode: Das kommt in meinen Augen einer Überlassung gleich, denn ein z.B. zwei Jahre altes Gerät wird man in der Realität sicher nicht mehr einem anderen Ratsmitglied unterjubeln. Und länger als eine Wahlperiode wird ein solches Gerät kaum (wenn überhaupt) halten. Und: Wenn ein geliehenes (!) Gerät kaputt geht, wird der Steuerzahler für Ersatz sorgen müssen. Gehört dann ja zur Ausstattung eines Ratsmitglieds. Und welches Ratsmitglied würde auf diesen Bonus (in Form eines apfeligen Gadgets) denn verzichten?

    Die Zahlen die ich hinsichtlich der Amortisation lese, halte ich für, sagen wir mal optimistisch.

    Papier sparen? Gerne! Aber vielleicht mal mit dem Ansatz ‚erst denken, dann drucken‘: Nicht jeder Quatsch muss ausgedruck vorliegen. So wie ich es verstehe, hat jedes Ratsmitglied gesicherten Zugang zu den Unterlagen, die derzeit per Schneckenpost versendet werden. Wieso zahlt die Stadt nicht jedem Ratsmitglied pro Monat (zusätzlich zur Aufwandsentschädigung) eine Druckpauschale aus und jeder druckt das was er in Papier vorliegen haben will/muss Zuhause aus. Wer weniger druckt, streicht die Druckpauschale ein = Anreiz zum bewussten Ausdrucken. Nebenbei spart man die enormen Portokosten UND hat einen Zeitgewinn was den Versand angeht.

    Um den Bogen zu meinem Tweet zu schließen: Ich korrigiere mein mürrisches ‚WirWünschenUnsEinSteuerfinanziertesIPadFürUnsereRatsarbeit‘
    zu
    ‚WirFreuenUnsDassDieVerwaltungGewilltIstUns SteuerfinanzierteIPadsAufzudrängen‘.

    Chrischaaan

    • Dann ziehe ich mal meine Frühstückspause vor ;-)

      Auch das „Wir freuen uns …“ ist nicht korrekt. Es sollte Geld eingespart werden durch den Verzicht auf die physische Übersendung der Unterlagen. Das hat die Verwaltung als Auftrag bekommen. Nicht nur von mir wurde dieser Auftrag gleichzeitig mit „Bitte keine Geräte zur Verfügung stellen!“ kommentiert. *Danach* hat die Verwaltung den langen Beschlussvorschlag oben ausgearbeitet. Der wurde dann nicht beschlossen, sondern zurück gegeben. Unter anderem, weil der Kauf oder das Zurverfügungstellen der Geräte eben nicht spart. Mithin genau das Gegenteil von „WirWünschenUnsEinSteuerfinanziertesIPadFürUnsereRatsarbeit“ oder „WirFreuenUnsDassDieVerwaltungGewilltIstUns SteuerfinanzierteIPadsAufzudrängen“ ist bisher also passiert.

      Es mag einige geben, die sich über ein gestelltes Gerät freuen, aber die Mehrheit hat bisher eben nicht dafür votiert. Das kann man jetzt drehen und wenden wollen, wie man will, aber Stand heute ist die Sache vom Rat eher nicht in Richtung „unnötige Bereicherung“ entschieden worden. Deswegen fand ich den Urpsrungstweet und auch die Nachgereichte Formulierung unpassend. Das ärgert mich auch ein bisschen.

      Deine Kritikpunkte teile ich komplett und habe die ja auch vor Monaten im verlinkten Blogbeitrag noch vor der Hauptausschusssitzung hier gepostet. Ich will noch nicht mal eine „Druckpauschale“ – wir bekommen doch schon eine Aufwandsentschädigung.

      Die mit dem Tweet implizierten Gedanken der Ratsmitglieder stimmen in diesem Fall einfach nicht (zumindest Stand jetzt und mehrheitlich). Der Vorschlag kam von der Verwaltung und nicht vom Rat – und der hat dagegen entschieden!

  2. Wurde denn die Vorgehensweise ‚Jeder druckt was er braucht Zuhause aus‘ schon einmal offiziell diskutiert worden? (Mit oder ohne zusätzliche Druckpauschale)

    • Sicher – auf jeden Fall bei uns fraktionsintern (und da waren auch nicht alle dafür), als auch im Hauptausschuss. Das wollten auch nicht alle. Es gibt aber bereits Ratsmitglieder, die sich nicht mehr alle Unterlagen in Papierform zusenden lassen. So uneinheitlich ist allerdings unglücklich … eine Entscheidung ist zu dem Thema – wie gesagt – noch nicht gefallen.

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