Unsicherheitsgefühl im Kurpark
Es war eine schreckliche Tat im Kurpark von Bad Oeynhausen, während der Abifeier und der diesjährigen Innenstadtfete. Seitdem schlagen die Wellen hoch. Fernsehauftritte des Bürgermeisters, die Kommentarspalten sind voll. Und allgemein liest es sich so und hört sich so an, als könne man den Kurpark von Bad Oeynhausen nur noch mit Kevlar-Weste und Bodyguards betreten. In der letzten Sitzung des Betriebsausschuss Staatsbad am 19.09.2024 hatten wir denn auch gleich drei TOP, welche sich mit der Sicherheit in eben diesem Kurpark beschäftigten.
mehr Sicherheitsdienst
Der erste Tagesordnungspunkt drehte sich um die Ausweitung der Bestreifung durch mehr Personal. Dazu gab es eine intensive Diskussion über das Für und Wider und wie sich diese Bestreifung auf das subjektive Sicherheitsgefühl auswirkt. Denn es schienen sich nicht wenige Ausschussmitglieder einig zu sein, dass es nicht unbedingt nur der Kurpark ist, in dem Menschen sich unsicher fühlen! Ich habe z.B. ein deutlich mulmigeres Gefühl, wenn ich den großen Studenten nach 22 Uhr am Bahnhof abhole oder vor dem alten ZOB entlang gehe. Die Clique am Augustaplatz finde ich meist einfach nur laut und störend, aber nicht gefährlich. An der Stelle hilft es im Übrigen auch nicht, wenn man die Bänke versteckt und dann davon ausgeht, dass ungebetene Gäste deshalb der Ecke fern bleiben.
Selbst auf mehrfache Nachfrage durch Aussschussmitglieder wurde nicht erläutert, inwiefern die schlimmen Gewalttaten im Kurpark durch die schon bestehende, ausgeweitete Bestreifung zurückgegangen sind. Im Gegenteil, die Druckvorlage sagt:
[…] Besondere Vorkommnisse wurden während dieser ausgeweiteten Bewachung nicht verzeichnet, hauptsächlich handelt es sich weiterhin um Verstöße gegen die Kurparkordnung, wie z. B. Alkohol- oder Cannabiskonsum oder Vandalismus. […]
Und auch meine explizite Frage, wieviele Gewalttaten denn vorher verzeichnet wurden, blieb ohne Antwort. Die Zusammenfassung zu meinem Redebeitrag in der Lokalpresse …
Personalrat verhindert nächtlichen Einsatz des Ordnungsamtes
[…] Das Geld sieht Andreas Edler (Grüne) besser in die personelle Vergrößerung des Ordnungsamtes investiert, was seine Fraktion schon seit drei Jahren vergeblich fordere.
Edler ist sich sicher, dass ein privater Sicherheitsdienst „entsetzliche Gewalttaten“ nicht verhindern könne. Er setzt auf das Ordnungsamt, das über weiter reichende Befugnisse bei der Ahndung der Verstöße verfüge und erntet dafür ein Kopfschütteln des Bürgermeisters. „Das macht der Personalrat niemals mit“, sagt Bökenkröger. […]
… ist verkürzt. Tatsächlich haben wir die personelle Vergrößerung des Ordnungsamt in jeder der letzten (internen) Haushaltsberatungen mit unserem Bündnispartner vorgeschlagen. Der Vorschlag hat es jedoch nie in den Haushalt geschafft. Meine Einlassung ging also mehr dahin, dass der Bürgermeister nach dieser Tat kein Problem damit hat, neue Stellen zu schaffen, präventiv aber nichts passiert ist. Insgesamt gibt der Absatz die Diskussion auch mit anderen Mitglieder des Ausschusses aber richtig wieder. Tatsächlich wurde über die Befugnisse des Sicherheitsdienstes gesprochen und der BM hat zum wiederholten Male erklärt, der Personalrat stimme den Arbeitszeitausweitungen nicht zu. Wobei es dazu natürlich genaue Vorgaben im TVÖD (und sicher auch im Beamtenrecht) gibt. Da muss man dann einfach verhandeln. Mir scheint es eher ein Problem im Zusammenspiel zu sein.
Gegen eine Ausweitung der Bestreifung hatte dann letztendlich niemand etwas. Auch wenn es zur tatsächlichen Sicherheit wahrscheinlich gar nichts beiträgt.
Kurpark einzäunen
Danach mussten wir darüber entscheiden, ob der Eigenbetrieb Staatsbad ausloten soll, inwieweit eine Teilschließung des Kurpark möglich sei.
Teilschließung Kurpark
[…] Als eine weitere bzw. alternative Maßnahme zur Verbesserung der Sicherheitslage in der Stadt Bad Oeynhausen ist die nächtliche Schließung des Kurparks Gegenstand der öffentlichen und politischen Diskussion. […]
Die öffentliche Diskussion muss an mir vorbei gegangen sein. Der Bürgermeister sprach davon, dass er dies regelmäßig kommuniziert bekommt. In meiner „Blase“ ist das kein Thema! Niemand möchte meiner Erfahrung nach den Kurpark dicht machen. Jedenfalls nicht aus den Gründen, aus denen wir uns an diesem Tag mit dem Thema beschäftigen. Es würde auch nichts bringen. Die unglaubliche Tat fand zu einer Zeit und einer Festivität statt, bei der der Kurpark sowieso geöffnet gewesen wäre. Es waren Menschen dort, es war Innenstadtfete! Es gibt bisher augenscheinlich keine Gewalttaten nachts im Dunklen, hinter Hecken und Büschen, dort wo es niemand sieht. Es wurde mehrfach danach gefragt und keine Auskunft gegeben.
Ausschuss stimmt gegen nächtliche Schließung des Kurparks
[…] Andreas Edler (Grüne) meinte, es gebe keine Möglichkeit, eine nächtliche Teilschließung zu organisieren, ohne den Park„ unansehnlich zu machen“: „Das ist das Gegenteil von dem, was wir erreichen wollen“, sagte Edler. […]
Wir haben uns mit diesem Punkt auch nicht besonders lange aufgehalten. Vor sechs Jahren wurde das Thema „Schließung des Kurparks“ bereits sehr ausführlich aufgearbeitet und diskutiert und schon damals kam man zu dem Schluß, dass es nicht durchführbar ist, ohne das was wir mit dem Kurpark erreichen wollen ad absurdum zu führen.
Videoüberwachung im Kurpark
Zu guter Letzt stand das Thema „Videoüberwachung“ auf der Tagesordnung. Zunächst dahingehend, dass geprüft werden soll, ob man im Kurpark die Menschen überhaupt auf Schritt und Tritt filmen darf.
Für die Videoüberwachung fehlt die Rechtsgrundlage
[…] Andreas Edler fragt sich, warum der Ausschuss sich mit der Beauftragung einer solchen Prüfung überhaupt habe beschäftigen müssen. Das sei allgemeines Verwaltungshandeln, so der Grüne. Von der Videoüberwachung hält er wenig: „Die Videoüberwachung verhindert gar nichts.“ Rund um die Uhr müsse eigentlich gewährleistet sein, dass die Aufnahmen auch gesichtet würden. […]
Aus meiner Erfahrung heraus, verhindert eine Viedoüberwachung gar nichts. Sie kann im Nachgang, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, zur Aufklärung beitragen. Mehr nicht. Legt es allerdings jemand darauf an, nicht erkannt zu werden, dann gelingt dies auch. So werden dann die bewussten Vandalismusfälle eher nicht damit verhindert oder geklärt werden. Die für diese TOP ursächliche Tat wäre auch nicht verhindert worden, hätte man sie gefilmt! Eigentlich waren sich in der Diskussion alle einig, dass die rechtliche Grundlage für eine solche umfassende Überwachung nicht gegeben ist. Die der Druckvorlage beigerügte Einschätzung eines Datenschutzbeauftragten war dabei eher nicht hilfreich.
Angesichts der langen Diskussion auch zu diesem Thema schien die Stimmung auf Verwaltungsseite ein wenig gereizt. Letztendlich wurde die Leitung des Eigenbetriebs aber vom Ausschuss mehrheitlich beauftragt, die Möglichkeiten zu eruieren. Wir haben mit drei Stimmen dagegen votiert. Diese Arbeit kann man sich wirklich sparen!
Was tun?
Ich halte die Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Kurpark für Aktionismus! Es wurde sehr laut und präsent darauf geschimpft, was bundesweit alles schief läuft und nun muss vor Ort gehandelt werden. Der Kurpark ist ein relativ kleines und solitäres Areal, so dass hier Maßnahmen konkret beschlossen werden könnten. Allein: es scheint dort gar nicht so gefährlich zu sein. Die Druckvorlage – und die Diskussionen – sprechen vom „subjektiven Sicherheitsgefühl“ und davon, dass dort Alkohol getrunken und gekifft wird. Gewaltexzesse scheinen nicht stattzufinden.
Wohl aber wird den Weisungen des Ordnungsamtes nicht mit Respekt, sondern mit Aggression begegnet. Diese gesteigerte Aggressivität beobachte ich auch an vielen anderen Stellen. Ich bin davon überzeugt, dass sie daher rührt, dass „Kleinigkeiten“ einfach nicht sanktioniert werden. Falsch parken, Müll wegwerfen etc. – Herbert Reul sprach diese Dinge in der Wandelhalle explizit an – ist scheinbar erlaubt, weil niemand was sagt. Dadurch wird gelernt: ich darf das! Und das weitet sich das auf immer andere Verhaltensweisen aus. Und wenn dann mal eingeschritten wird, ist die Verwunderung auf beiden Seiten groß. Zum einen, dass irgendjemand auf Fehlverhalten hinweist, zum anderen dass diese Hinweise mit Aggressivität beantwortet werden.
Die Lösung beschwöre ich so lange ich im Stadtrat bin: auch kleine Dinge sofort sanktionieren. Einfach mehr Präsenz zeigen. Nicht wegschauen, wenn jemand aus dem Rossmann kommt, seinen Marsriegel auspackt und die Verpackung auf die Klosterstraße wirft. Nicht akzeptieren, dass die Zigarette achtlos weggeschnippt wird. Nicht an falsch parkenden Kfz vorbei gehen und keinen Zettel an die Windschutzscheibe tackern (Ich nenne nur Dinge, die ich beobachtet habe.). Genau darum fordern wir regelmäßig die personelle Aufstockung des Ordnungsamtes.
Und ja, auf manche Dinge darf (und ich meine: sollte) man auch als normaler Bürger hinweisen. Mir ist es egal, ob dann jemand „Hilfssheriff“ zu mir sagt. Allerdings habe ich auch immer weniger Lust, weil die Aggressivität so zunimmt. Das ist das Problem, wenn zu wenige den Mund aufmachen.
Ja. Die lieben Kleinigkeiten. Natürlich kann man sich nicht immer darüber echauffieren, wenn sich andere schlecht benehmen. Wenn es nicht mal zur Begrüßung und Verabschiedung an der Ladenkasse reicht, kein Warentrenner aufs Band gelegt wird, beim Autofahren nicht oder viel zu spät geblinkt wird, jemand im Haltverbot parkt oder seinen Abfall einfach achtlos fallen lässt. Im Einzelfall ist das auch alles kein Drama, aber in Summe ist es ein Zeichen für eine Gesellschaft die in Egoisten und Egozentriker verfällt und dann doch für jeden Spürbare negative Auswirkungen hat.
Letztlich gehört da ein gewisser gesellschaftlicher Druck zu, der in der weiteren Vergangenheit gerne übertrieben wurde, aber mittlerweile viel zu gering geworden ist. Und auch ein gesundes Gleichgewicht zwischen individueller Freiheit auf der einen, sowie Recht und Ordnung auf der anderen Seite. Leider ist unsere Gesellschaft durch eine zunehmende Zersplitterung zu solchen Kompromissfindungen kaum noch in der Lage. Die einen wollen sich gar nichts mehr vorschreiben lassen und sehen den eigenen nutzen in vielen Regeln nicht und die anderen neigen zu einer Überreglementierung. Gelb gegen Grün könnte man sagen ;) , aber auch das wäre letztlich zu kurz gegriffen. Ich selbst bin durchaus ein Freund von regeln, welche aber möglichst einfach ausgestaltet sein sollten, dafür aber konsequent umgesetzt werden müssen.
Konkret für den Kurpark und die öffentliche Ordnung sehe ich die Lösung ehrlich gesagt aber nicht nur in mehr Personal. Man kann auch durch Erhöhung des Risikos beim Erwischt werden Abschreckung entfalten. Das ist ähnlich wie bei Verkehrsverstößen. Erst im Geldbeutel tut es richtig weh. Und es spräche aus meiner Sicht nichts dagegen, wenn die Strafen so teuer sind, dass man davon Reinigung und Kontrolle der öffentlichen Räume finanzieren kann. Ein achtlos weggeworfener Becher, Kaugummi oder Zigarettenkippe dürfen gerne 200 bis 300 Euro kosten.
Ja, das ist richtig, es muss schon früh sanktioniert werden, das ist im Prinzip wie bei der Kindererziehung.
Danke für Deinen Einsatz (im Rat; und als Privatperson, auch beim Einschreiten bei »Kleinigkeiten«) und diesen Blogeintrag. Sehe ich alles genau so.
Schade und fatal, daß die große Politik seit Jahrzehnten nur an Symptomen rumdoktort anstatt die Ursachen (langwierig und teuer) anzugehen. (Nicht nur bei diesem Thema.)