Wahlergebnis-Absturz
Die Medien erzählen uns seit gestern von einem desaströsen Absturz in den Wahlergebnissen der Grünen. Und natürlich stellt mich das Ergebnis mit 11,9% bei der gestrigen Europawahl 2024 nicht zufrieden. In 2019 waren es noch 20,5%. Allerdings hatten wir bei der Bundestagswahl 2020 – trotz besserer Umfragewerte und nicht unbedingt übermäßig freundlicher Medienberichterstattung auch „nur“ noch 14,7% erreicht. Aktuell liegen wir seit Monaten in Umfragen recht stabil zwischen 11% und 13% in den Umfragen zur Bundestagswahl. Ja, das ist auch weniger als wir beim letzten Mal geschafft haben. Natürlich würden mich mehr Stimmanteile freuen.
Aber diese Ergebnisse werden erreicht trotz einer unglaublichen Hetzkampagne seitens der CDU/CSU, der Freien Wähler, der AfD und einer ziemlich unreflektierten Übernahme derer Narrative durch die Medienlandschaft. Erfolge, die durchaus vorhanden sind, werden nicht erwähnt. Die Situation ist weltweit klimatisch und politisch bedrohlich und wir haben es geschafft unsere Energieversorgung deutlich unabhängiger von Dritten zu machen und erneuerbare Energien gewaltig auszubauen. Dies alles in einem extrem kurzen Zeitraum gegen sehr viel Gegenwind von denjenigen, welche das in den Jahrzehnten vorher komplett verbockt haben. Das alles findet medial kaum statt und genau so laufen auch die Gespräche an den Wahlständen ab.
Es wird sich auf Tik-Tok und Instagram informiert, weil das so schön einfach und laut ist. Da sind wir nicht. Und ganz ehrlich, da möchte ich eigentlich auch nicht sein. Ich hatte an einem Wahlstandsamstag eine Diskussion mit einem Nichtgrünwenähler mit dem ich über die Ursachen von Fehlinformationen sprach und der genau auf diese Plattformen schimpfte. Als ich dann zustimmte und erwähnte, dass er aber die dortigen Desinformationen hier gerade ebenfalls wiederholte, wurde er sichtlich böse und warf mir vor, ich würde ihn dumm nennen. Genau das ist das Problem. Viele Menschen wissen genau, dass die konsumierten Kanäle kritisch sind, dass die Informationen dort womöglich nicht stimmern. Aber nur solange, wie die Inhalte nicht ins eigene Weltbild passen. Es ist nicht Dummheit oder das reine Vorliegen von Desinformation und Hetze, es ist der Wunsch, dass diese vermeintlich einfachen Lösungen und Parolen die Realität abbilden. Wunsch und passender Inhalt potentieren sich dann. Ab da ist es völlig unnötig weiter zu verifizieren, ob das denn überhaupt alles stimmt.
Informieren ist nicht einfach. Informieren ist nicht Tik-Tok-Videos schauen. Informieren ist sehr oft unangenehm, langwierig, schwierig und unbefriedigend. Damit fängt man keine Wähler. Ich denke nicht erst seit gestern, dass wir dieses Problem in den Griff bekommen müssen, um wieder bessere Umfrage- und Wahlergebnisse zu bekommen. Wie das gelingen kann, weiß ich leider auch nicht.
Lieber Herr Edler, seit einigen Jahren verfolge ich eher zufällig Ihre Beiträge, habe von manchem profitieren und gerade im Hinblick auf Verkehrspolitik hier und da meinen Blick schärfen können, wofür ich Ihnen ausdrücklich dankbar bin.
Ich selbst bin konservativ eingestellt, stimme Ihnen an vielen Stellen dezidiert nicht zu. Und frage mich immer wieder, ob nicht noch mehr Verständnis und konstruktiver Austausch herrschen könnte, wenn gerade auch Ihr Ton (und der vieler anderer Grüner etc.) zuweilen weniger polemisch und mehr auf sachliche Auseinandersetzung gerichtet sein könnte. Und das meine ich wirklich nicht persönlich-vorwurfsvoll, sondern als bitte ehrlich und sachliche Kritik verstanden. Aber wenn ich sehe, wie zB auf Mastodon zunehmend die CDU ohne mit der Wimper zu zucken auf eine Ebene mit Faschisten gestellt wird, dann kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Art der politischen Auseinandersetzung zielführend sein kann. Das vertieft doch nur die Gräben, die meiner Meinung nach eigentlich nicht sein müssten. Dass das in ähnlicher Weise auch von anderer Seite passiert – geschenkt. Auch da gibt es ganz sicher Nachholbedarf.
Außerdem glaube ich, dass man einfach auch anerkennen muss, dass mittlerweile verschiedene Menschen mit völlig unterschiedlichen Weltbildern und Denkvoraussetzungen miteinander agieren und dass man häufig aneinander vorbeiredet, weil man diesen Umstand nicht wahrnimmt. Vielleicht sollte es noch viel stärker Ziel der Politik sein, in Anbetracht dieser Tatsache darüber nachzudenken, wie ein Leben und Streiten dieser verschiedenen Gruppen möglich ist. Damit will ich nicht behaupten, dass die inhaltliche Debatte irrelevant ist – aber der Rahmen, die Arena, in der das stattfindet wird zunehmend unschärfer. Und dieses Problem sollte möglicherweise deutlich mehr im Fokus stehen, als es momentan der Fall ist.
Raten wir einmal, wer zum Beispiel folgendes gesagt haben könnte, jemand von der AfD oder jemand von der CDU/CSU:
»Die [Asylbewerber] sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.«
Falls da die Zuordnung bzw. Unterscheidung schwer fällt, könnte es erklären, warum viele Menschen die CDU/CSU nahe an der AfD sehen.
Tatsächlich sind gerade die Grünen auf Bundesebene die Partei, welche sich mit Schelte an anderen Parteien deutlich zurück hält. Gerade bei den von uns zur letzten Wahl vertretenen Punkten und deren halbherziger Umsetzung – die natürlich aufgrund der Verhandlungen innerhalb der Ampel stattfanden, politisch muss man nunmal Kompromisse eingehen – kommunizieren wir immer „Das haben wir gemeinsam entschieden!“ während SPD und FDP kein Problem damit haben, jedes noch so kleine Detail den Grünen „anzuhängen“. Machen wir nicht. Dabei wäre es gerade für unsere Klientel wichtig zu wissen, mit welchen Forderungen wir in eine Verhandlung gegangen sind und warum Ergebnisse dann so entstanden sind, wie sie sind – und wer gegen unsere Vorstellungen votierte. Machen wir nicht. Wir kommunizieren solche Dinge als Entscheidung der Ampel. Andere haben damit wie gesagt überhaupt keine Probleme.
[…] wenn ich sehe, wie zB auf Mastodon zunehmend die CDU ohne mit der Wimper zu zucken auf eine Ebene mit Faschisten gestellt wird […]
Wer auf europäischer Ebene keinerlei Berührungspunkte mit Postfaschisten hat und Zusammenarbeit anstrebt, wer in den eigenen Reihen Menschen hat, die für CDu im Stadtrat und für AfD im Kreistag sitzen, wer Vorsitzende hat, die martialischen Reden vom „Hauptgegner“ unterweg sind, nun, wie wirkt das wohl auf uns?
[…] Das vertieft doch nur die Gräben, die meiner Meinung nach eigentlich nicht sein müssten. Dass das in ähnlicher Weise auch von anderer Seite passiert – geschenkt. […]
Diese Tatsache scheint sogar bewusst zu sein und mit „geschenkt“ abgehandelt. Austeilen ist erlaubt, wenn dann (noch nicht einmal von Hauptprotagonisten, sondern von der Basis) in ähnlicher bzw. deutlicher Münze gezahlt wird, dann vertieft das die Gräben. Ich finde das ein wenig befremdlich. Ich halte nach 15 Jahren aktiver Politik nichts mehr von „die andere Wange hin halten“. Das hat noch nie jemandem geholfen. Wie wäre es denn, wenn die konservativen Parteien mit ihrer – ich nenne es ausdrücklich so – Hetze aufhören und anfangen konstruktiv und mit Fakten zu arbeiten? Merz hatte davon bei Illner im Gespräch mit Habeck recht wenig zu bieten. Hat er eigentlich immer. Dabei wird er nur von Söder und vor allen Dingen Spahn getoppt.
[…] Damit will ich nicht behaupten, dass die inhaltliche Debatte irrelevant ist – aber der Rahmen, die Arena, in der das stattfindet wird zunehmend unschärfer. […]
Und doch ist genau das im Augenblick in der Öffentlichkeit der Tenor. Inhaltlich kommt aus der konservativen und liberalen Ecke überraschend wenig. In die Zukunft gedacht wird gar nicht. Sieht man bei den Überflutungen in Bayern sehr gut. Erst alles was hätte helfen können verhinden, dann ein großes Gesicht machen, sich an den Gesprächen mit Einsatzkräften vor Ort augenscheinlich nicht beteiligen, aber ein Sharepic als Heilsbringer teilen. Das ist meine Wahrnehmung – und leider nicht nur meine.
Mit der eingangs angesprochenen Verkehrspolitik verhält es sich nicht anders. Was ich in dem Bereich kommunalpolitisch erlebe ist haarsträubend. Auf Landes- und Bundesebene leider genauso. Ich finde es sehr gut, dass ich da Impulse geben konnte, leider verfängt das bei viel zu wenigen.
Ich bin sehr an einem konstruktiven Austausch interessiert. Wir versuchen das lokalpolitisch seit Jahren. Leider habe ich den Eindruck, das ist sehr einseitig von uns. Wir werden gerne „genommen“ um mitzustimmen, aber nur wen es in die eigene Agenda passt. Sobald von uns eigene Ansichten präsentiert werden, wird das ignoriert. Auf Bundesebene bekommen es die konservativen ja sogar hin, die eigenen Beschlüsse – die heute nicht mehr oportun erscheinen – uns zuzuschreiben.
Wo ist das konstruktiv? Warum die Verwunderung, wenn das sehr langsam auch öffentlich so benannt wird, wenn man es selbst nie anders tat?
Dem Hausherren hier Polemik unterstellen … Ich weiß ja nicht.