Natenom wurde getötet

Ich kannte @Natenom nicht persönlich. Nur über das Internet, die sozialen Medien – zuerst Twitter, zuletzt Mastodon – und ich habe seine Webseite https://natenom.de/ verfolgt. Er hat sich für das eingesetzt, was mir auch am Herzen liegt: einen sicheren Radverkehr. Für Alltagsradler und Pendler. Er hat regelmäßig Verstöße angezeigt und die Verwaltung der Stadt Pforzheim hat diese irgendwann genauso regelmäßig ignoriert. Auch die Polizei Pforzheim war keine große Hilfe. Es erfolgten – seinen Berichten nach – teils gezielte Gefährdungen. Geholfen wurde ihm nicht.

Nun wurde er getötet. Von einem Mann mit einem Auto. Er wurde von hinten gerammt und verstarb. Das ist die ganze verstörende Nachricht. Bei Martin fand ich den Link zur Lokalpresse mit einem Bild des Unfallwagens. Das ist nicht „touchiert“ oder „berührt“ was man dort sieht. Für die Polizei ist die Ursache unklar. Für mich nicht: der Mann im Auto hat nicht ausreichend aufgepasst. Er hat nicht ausreichend Abstand gehalten. Und augenscheinlich war auch die Geschwindigkeit nicht angepasst. All das, was Natenom der Verwaltung, der Polizei und der Staatsanwaltschaft gemeldet hat, trifft in diesem Fall zu. Getan hat in der Vergangenheit niemand etwas.

Und machen wir uns nichts vor, dass ist leider der Normalfall. Heute Morgen hat mich ein Mann in einem Auto bewusst (hat er mir gesagt) eng überholt, weil ich einen gesperrten Radweg nicht nutzte. Dann solle ich auf dem Gehweg schieben. Eine bewusste, gefährdende Aktion. Am Montag das Gleiche mit einem Auto der Stadtverwaltung erlebt. Beide Male waren es keine Armlänge Abstand. Das interessiert niemanden.

Ich habe eben im Büro die Karte gesteckt und mache Pause. Um diesen Text zu schreiben, aber auch weil ich ein bisschen mitgenommen bin. Ich habe nicht viel mit Natenom kommuniziert. Ab und zu eine Reaktion auf einen seiner Posts, oft Reposts seiner Texte, selten hat er bei mir mal was geschrieben. Aber das über viele Jahre. Mach es gut, Natenom, und danke für Deinen Einsatz bis zuletzt. Das es so ein Ende findet, ist zum Kotzen.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

18 Kommentare zu „Natenom wurde getötet

  1. Hier stehen verschiedene Kommentare, die so diesen elenden Zeitgeist widerspiegeln. Verantwortlich sind immer die Anderen. Natenom hatte viele, viele Begegnungen, wo sich selbsternannte Verkehrserzieher sich angemasst haben, ihn zu gefährden. Und er hatte Beweismaterial. Solche Typen sind nicht geeignet ein KFZ zu führen. Massregeln bei angeblichen Verstössen geht garnicht. Ich habe Natenoms Kommentare immer gerne gelesen und bewundert, dass er diese Raudis wohl noch relativ ruhig angesprochen hat. ich hätte das so nicht gekonnt. Ich habe das Photo vom Unfallauto gesehen. Ich frage mich wo hat der Fahrer hingesehen. Einen Radfahrer mit Rücklicht und Rückstrahler kann man nicht übersehen. Der Fahrer sollte nie wieder hinters Steuer dürfen. Alter vollkommen egal.

  2. Nein, man muss nicht damit rechnen, übersehen zu werden. Man muss darauf vertrauen können, dass sich alle Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass niemand zu Schaden kommt. Das hat nichts mit Trotz zu tun, mit Leichtsinn oder Risikobereitschaft, sondern das sollte der absolute Normalzustand sein. Ich bin Natenom auf Mastodon gefolgt, und ich bin selbst Fahrradpendler. Seine Erlebnisse hatten nichts damit zu tun, dass er trotzig und mit Risiko auf Straßen fuhr, von denen Autofahrer glauben, dass sie nur für sie gebaut wurden. Selbst auf als Radweg gekennzeichneten Wirtschaftswegen werde ich mit deutlich <1,5m Abstand und teilweise über 70km/h überholt. Das Selbstverständnis und die Selbstüberschätzung vieler deutscher Autofahrer ist das Problem! Und es fordert jeden Tag Opfer, manche mit Reichweite wie Natenom, manche Kinder oder alte Menschen, denen er stellvertretend seine Stimme geliehen hat. Diese Stimme wird fehlen.

  3. Ich bin kein Radfahrer weil ich faul (fett) bin. Ich kannte Natenom und hab sogar einmal sein Fahrrad halten dürfen. Natenom war mehr als nur ein Radfahraktivist, er war ein ganz besonderer Mensch, der es selten leicht hatte in seinem Leben aber trotzdem, vielleicht auch deswegen immer da war für andere, Mut und Hoffnung spendete, vielen Jugendlichen als Ersatzelternteil der besonderen Art zur Seite stand wenn die richtigen Eltern einmal nicht die passenden Ansprechpartner waren. Er war es gewohnt Dinge in Ordnung zu bringen die niemand sonst in Ordnung bringen konnte, und er war es auch gewohnt wenn er Ordnung gemacht hatte sich die Personen wieder rar gemacht haben. Ein Danke reichte stehts als Lohn.
    An die Menschen die Natenom das Leben als Fahrradfahrer schwer gemacht haben kann ich nur Natenom selber zitieren, weil ich es nicht besser auf den Punkt bringen kann:
    „Ich wünsche mir, dass die Menschen – die bei der Bußgeldstelle meine Anzeigen bearbeiten – eine Woche lang mit mir Fahrrad fahren. In Pforzheim, auf meinen Strecken. Wer währenddessen keinen Herzinfarkt bekommt, nicht vor Schreck vom Fahrrad fällt oder nicht sonstwie arbeitsunfähig wird, der wird danach sicherlich eine andere Sichtweise haben.“ Natenom, 17.Juli 2020

  4. Fürchterliche Nachricht.
    Und auch erschreckend, was hier – immerhin auf einem Pro-Fahrrad Blog – an menschenverachtendem Pöbel-Müll von einigen mutmaßlich automobilisierten Kommentatoren abgelassen wird.
    Aber o.k. in einem Land mit 20% AfD braucht mal sich wohl über nichts mehr zu wundern, auch nicht über übelste Verunglimpfung eines gerade von Automobiler Gewalt, sei es manifest oder strukturell, getöteten Radfahrers.
    Mitschuldig sind in diesem Fall sicherlich auch die dortige Polizei und die dortigen Behörden.
    R.i.P.

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