rechtswidriges Fahrradstraßenkonzept?

Eine mit einer großen roten Fläche markierte Fahrradstraße. Links der Straße ist ein weißes Haus zu sehen, ansonsten ist die Straße von Bäumen und Büschen gesäumt.
Einfahrt in die Hüffer Straße von der Weserstraße aus
Wir haben gestern im Ausschuss für Stadtentwicklung ein Fahrradstraßenkonzept beschlossen. Ich hatte zu diesem Konzept bereits Anmerkungen formuliert und diese der Verwaltung vorab gemailt. Auch in einer Vorbesprechung mit einer Partei hatte ich meine Gedanken dazu erläutert und gesagt, dass wir dem so nicht zustimmen können.

Konkret hätten in dem Konzept folgende Änderungen vorgenommen werden müssen:


Streichung des Satzes
„Grundsätzlich soll auf den Fahrradstraßen in Bad Oeynhausen der Kfz-Verkehr zunächst mit dem kombinierten Zusatzzeichen VZ 1022-12 und 1024-10 zugelassen werden (siehe Abbildung 3).“

Änderung des Satzes
„Im Fall eines stark erhöhten Radverkehrsanteils sowie gleichzeitig geringer Nutzung durch Kfz-Verkehr, hat die Verkehrsplanung in Zusammenarbeit mit der Straßenverkehrsbehörde die Möglichkeit, eine Änderung des Zusatzzeichens von „Kfz-Verkehr frei“ zu „Anlieger frei“ (VZ 1020-30) vorzunehmen.“
in
„Im Fall eines nur geringen Radverkehrsanteils sowie gleichzeitig starker Nutzung durch Kfz-Verkehr, hat die Verkehrsplanung in Zusammenarbeit mit der Straßenverkehrsbehörde die Möglichkeit, eine Änderung des Zusatzzeichens von „Anlieger frei“ (VZ 1020-30) zu „Kfz-Verkehr frei“ vorzunehmen.“

Änderung des Satzes
„Grundsätzlich sollen die Fahrradstraßen in Bad Oeynhausen für den Kfz-Verkehr frei nutzbar bleiben, da die Einrichtung von Fahrradstraßen nicht als Maßnahme zur Verkehrsberuhigung dient und eine Funktion im Radverkehrsnetz gegeben sein muss.“
in
„Grundsätzlich sollen die Fahrradstraßen in Bad Oeynhausen für den Kfz-Verkehr im Anliegerverkehr nutzbar bleiben.“

Streichung des Satzes
„Da in einigen Fahrradstraßen gegenwärtig noch das Zusatzzeichen „Anlieger frei“ (VZ 1020-30) angeordnet ist, wird hier zur Vereinheitlichung eine Änderung vorgenommen werden.“

Dies habe ich im Ausschuss versucht zu erläutern. Leider hat niemand anderes dazu wenigstens nachgefragt oder sonst eine Regung gezeigt. Unsere Fraktion hat daher schweren Herzens gegen das ansonsten gute Konzept gestimmt. Ich bin völlig konsterniert, dass wir nicht ernsthaft versuchen den motorisierten Individualverkehr zumindest ein wenig einzuschränken, obwohl wir dies explizit im Stadtrat beschlossen haben. Und wohl auch müssen, schaue ich mir unsere Stadt an!

Das Verwaltungsgericht Hannover hat übrigens schon in 2021 geurteilt, dass das was wir gestern beschlossen haben, rechtswidrig ist.

ADFC zum Fahrradstraßen-Urteil: Rückenwind für die Verkehrswende. Umbau zu echten Fahrradstraßen muss jetzt zügig beginnen.
[…] Wer eine Fahrradstraße einrichtet, muss den KfZ-Verkehr auf das unvermeidbare Minimum beschränken, dazu gehört z.B., dass “Anlieger die auf ihren Grundstücken angelegten Stellplätze (…) nutzen können”, wie es in der online veröffentlichten Urteilsbegründung heißt. KfZ-Durchgangsverkehr, der die Fahrradstraße als “Schleichweg” benutzt, sei nicht hinnehmbar. […]

Die Verwaltung schreibt in ihrem Konzeptentwurf sogar

Eine Freigabe von Fahrradstraßen für motorisierten Verkehr ist nach der geltenden VwV-StVO ausdrücklich nur in Ausnahmefällen vorgesehen (VwV-StVO zu §41).

um dann genau das Gegenteil vorzuschlagen. Ich kann nur mit dem Kopf schütteln.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

3 Kommentare zu „rechtswidriges Fahrradstraßenkonzept?

  1. Hier (Münster) werden Fahrradstraßen mit Zusatzschild „KFZ frei“ gern als „unechte“ Tempo 30 Zonen angelegt.
    Die Hürden zur Anlage sind geringer („oder zu erwarten“), sie erlauben andere Vorfahrtsregelungen als „rechts vor links“ und Ampeln und Zebrastreifen können bestehen bleiben.
    Zudem stößt es auf weniger Widerstand, in einem zweiten Schritt einen Modalfilter in einer Fahrradstraße zu installieren als eine Straße in eine Sackgasse mit „Fahrrad frei“ zu verwandeln.

    Auch wenn mich die Selbstständigkeit der Freigabe für den gesamten MIV ärgert: ich sehe für den Radverkehr nicht viele Vorteile in der Beschilderung “Anlieger frei” (das am wenigsten beachtete VZ im gesamten Katalog) gegenüber „KFZ frei“?

    • *Falls“ das Verkehrszeichen „Anlieger frei“ beachtet würde (und das würde es, wenn die Polizei regelmäßig kontrollieren würde), dann hätte es auch Vorteile, weil der MIV dann weniger wird. In der Praxis passiert dies nicht, da hast Du Recht. Und dann ist eine Fahrradstraße mit grundsätzlichem „Kfz frei“ – Du sagst es – nichts anderes als eine Tempo-30-Zone.

  2. Leider ist die Vorschrift in der VwV-StVO unklar. Darf nur ein geringer Anteil im Stadtgebiet/geringer Anteil an der Gesamtlänge in der Stadt freigegeben werden? Oder darf nur ein Teil des Kfz-Verkehrs (z. B. Anlieger) freigegeben werden?

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