Berichterstattung zu Radunfällen – ihr werdet alle sterben!
Die Neue Westfälische hat sich in einem Artikel zu einem Unfall mit Fahrradbeteiligung ziemlich merkwürdig – um nicht zu sagen: sinnentstellend und widerlich – geäußert. Schon wieder gab es einen Unfall mit einem E-Bike
… Ein 36-jähriger E-Bike-Fahrer ist am Dienstagnachmittag schwer verletzt worden, als er nach Polizeiangaben mit etwa 25 Stundenkilometern in einen Opel Zafira fuhr …
Wenn man den Artikel dann liest und schaut wo das passiert ist, ergibt sich folgender Verlauf: Eine Autofahrerin fährt auf der Straße In der Worth in den Kreuzungsbereich zur Bruder Konrad Straße ein, missachtet dabei trotz auffälligster Markierungen auf der Fahrbahn die Vorfahrt des Pedelec-Fahrers, so dass dieser nicht mehr rechtzeitig bremsen kann und in das Auto rauscht.
Die Autofahrerin hat also komplett allein Schuld, der Radfahrer hat alles richig gemacht, sich nicht falsch verhalten und kann zu dem Unfall nichts.
Die Neue Westfälische schmückt dabei die recht kurze Pressemeldung der Polizei (welche aber auch nicht die Vorfahrtmissachtung erwähnt!) noch gewaltig aus und formuliert so, dass es sich liest, als sei der Pedelec-Fahrer für den Zusammenstoß verantwortlich. Gleichzeitig wird durch die Überschrift suggeriert: seht her, es werden immer mehr und sie machen nur Unfälle. Durch die Erwähnung der Geschwindigkeit (welche die Polizei offensichtlich nicht für wichtig hielt) und das Gerücht vom Helm wird dem Radfahrer noch mehr „Schuld“ zugeschoben – sowohl am Unfall, als auch an seinen Verletzungen. Schön auch die Illustration durch die Presse: sie zeigt im Titelbild ganz deutlich, dass die Autofahrerin mitten auf dem Radweg steht. Als Nachklapp dann noch ein paar Zahlen, welche die Steigerung der Unfallzahlen beleuchten!
MIT KEINEM EINZIGEN WORT, thematisiert die Zeitung das eklatante Fehlverhalten der Autofahrerin! Mit keinem Wort wird erwähnt, dass ca. 3/4 all der erwähnten Unfälle zwischen KFZ und Fahrrad durch die KFZ-Fahrenden verursacht werden.
Ich habe das auf der Seite der NW auch kommentiert: Liebe Neue Westfälische, dieser Artikel ist an Suggestion kaum zu überbieten! Schon wieder missachtet eine Autofahrerin alle Regeln und verletzt einen Radfahrenden schwer. Warum formuliert ihr die Tatsachen nicht aus? Sie stehen im Polizeibericht! Weder hat die Geschwindigkeit etwas mit dem Unfall zu tun – man darf und kann mit einem Fahrrad problemlos 25 Km/h fahren – noch der (vielleicht!) fehlende Helm.
Die Autofahrerin hat hier ganz ursächlich und quasi komplett allein die Schuld. Wie ungefähr in 3/4 aller Unfälle mit einer Beteiligung von Radfahrenden und KFZ-Führenden. Leider kommt diese deutliche Formulierung in eurer Berichterstattung und der der Polizei nicht vor. Benennt bitte die Ursachen, statt zu suggerieren Fahrradfahren sei gefährlich. Tatsächlich ist Autofahren lebensgefährlich – für alle anderen! Und die Unfallzahlen steigen, weil der Autoverkehr zunimmt und die Konsequenzen für Autofahrende im Fall der Fälle immer geringer werden.
Eure Berichterstattung ist ganz schrecklich!
Der Deutsche Verkehrsicherheitsrat lässt sich dann zu solchen Tweets hinreißen: ‼️Von den getöteten Radfahrern in der Unfallstatistik 2017 waren 68 mit dem #Pedelec unterwegs. Tendenz ⬆️ Voraussetzung, um sicher mit dem ? fahren zu können ist, es richtig zu beherrschen ?DVR-Empfehlung: Sicherheitstraining machen
Auch hier kein Wort zu den tatsächlichen Ursachen. Mangelhafte Beherrschung des Fahrzeugs kann ein Grund für einen Unfall sein. In der Regel ist die Ursache allerdings die Missachtung der Regeln durch den motorisierten Verkehr. Die Polizeiberichte sprechen eine sehr eindeutige Sprache.
Leider wird versucht – wie man oben sehen kann – dass möglichst zu „verschleiern“. Das hat nichts mit Verfolgunsgwahn oder Paranoia zu tun. Es ist ja offensichtlich. Und da die Autolobby so groß ist wie sie ist und die Mehrheit der Bürger auch immer noch „freie Fahrt für freie Bürger“ will, werden die Berichte in der Presse leider immer noch zum größten Teil völlig unkritisch konsumiert und munter am Stammtisch nachgeplappert.
Ich habe es so satt!
Die Unfallstelle ist in meiner Nähe. Sie liegt außerorts, an der Bruder-Konrad-Straße ist die Geschwindigkeit durchgehend auf 50 km/h beschränkt. Der Radweg ist nicht benutzungspflichtig. Wenn ich zügig Radfahren will, benutze ich hier die Fahrbahn. Die üblichen systematischen Gefahren auf Radwegen werden an dieser Kreuzung noch verstärkt, weil aus Sicht der Autofahrerin nach links die Sichtverhältnisse unzureichend sind. Wenn ich diesen Radweg mal benutze, nähere ich mich dieser Kreuzung mit max. 10 – 15 km/h.
Die Verursacherverteilung ist bei Pedelec-Unfällen noch krasser, als bei Unfällen mit normalen Fahrrädern, jedenfalls hier im Kreis GT:
117 x Verkehrsunfälle im Jahr 2018 mit Pedelec (Art der Verkehrsbeteiligung: 72)
88 x mit Kfz-Beteiligung
davon
76 x Kfz Hauptverursacher (UB_01) (86%)
12 x Pedelec UB_01 (14%)
15 x mit Fahrradbeteiligung (VB: 71)
davon
10 x Fahrrad UB_01
5 x Pedelec UB_01
2 x Pedelec / Pedelec
11 x Pedelec Alleinunfall
1 x mit Fußgänger (Fußgänger UB_01)