„Wünsche an den Bürger“
Die Neue-Westfälische rief mich am 24.01. an und fragte, ob ich bereit wäre bei einem Feature mitzumachen. Sie wollten 20 Bürger und 20 Kommunalpolitiker Fragen stellen und veröffentlichen. Die Bürger sollten ihre „Wünsche an die Politiker“ und die Politiker ihre „Wünsche an die Bürger“ in jeweils maximal zwei Sätzen formulieren. Ich glaube im Telefonat war die Rede von „Was verlangen Sie vom Bürger?“ – das mag ich aber falsch interpretiert/verstanden haben. Ich denke, dass mit den Wünschen ist besser formuliert, ich verlange gar nichts.
Außerdem, so merkte ich an, ist es schwierig, als „Politiker“ (Ich sehe mich tatsächlich mehr als normaler Bürger – wir sind hier nur in der Kommunalpolitik!) irgendwas vom Bürger zu wünschen oder gar zu verlangen. Zur Zeit bekommt man ja sowieso eher auf den Deckel für alles was getan und gesagt wird – Facebook sei Dank. Ich fand’s also gar nicht mal so einfach, wenngleich ich die Antwort bereits am Telefon hätte geben können, hatte ich nämlich schon im Kopf! Trotzdem habe ich die Frist für eine Übersendung per Mail gerne in Anspruch genommen.
gerne beantworte ich die gestern am Telefon gestellte Frage, auch wenn das in den verlangten zwei Sätzen natürlich nicht adäquat möglich ist.
„Welche Wünsche haben Sie als Kommunalpolitiker an die Bürger?“
„Ich wünsche mir mehr direkte und konkrete Rückmeldungen an die Politik. Einhergehend damit ist aktive Beteiligung an Diskussionen und die dazu notwendige Information über die entsprechenden Sachverhalte sehr hilfreich für politische Entscheidungen.“
Das habe ich dann letztendlich abgeschickt. Tatsächlich habe ich in den letzten fast 10 Jahren die Erfahrung gemacht, dass zwar in sozialen Medien sehr viel geschrieben wird, was alles doof ist, was man alles besser machen kann und wie bescheuert „Politiker“ sind. Nur eine wirklich direkte und sachliche Rückmeldung erfolgt eher selten. Auch erlebe ich regelmäßig, dass zu vielen Sachverhalten gar nicht bekannt ist, worum es geht. Und ja, es ist nicht unbedingt leicht, sich zu informieren. Auf den Seiten der Fraktionen ist wenig zu finden, Ratsmitglieder die von sich aus über Sachverhalte informieren gibt es wenige. Aber man kann sich (fast) alles im Sitzungsdienst der Stadt nachlesen. Und dann eben auch zu den Fraktionen/Politikern gehen und den Dialog suchen. Direkt oder per Mail.
Da ich mir mehr davon wünsche, kommt offensichtlich bei mir zu wenig davon an. Es gibt Ratsmitglieder, die – glaubt man deren Reden – täglich ein Dutzend mal angerufen werden. Ich habe auch Rückmeldungen, vor allen Dingen aus den sozialen Netzen. Einige direkt, andere „hole“ ich mir, indem ich lese was andere schreiben. Schon bevor ich im Rat war, bin ich ab und an zu Sitzungen gegangen und habe Themen verfolgt, die mich interessierten. Das passiert super selten!
Wenn ich mir also was wünschen dürfte, dann ist das mehr Beteiligung!
Und nun, nachdem der Artikel in der Neuen-Westfälischen erschien, lese ich dass alle Kommunalpolitiker sich im Wesentlichen das Gleiche wünschen. Dann liege ich mit meiner Einschätzung ja nicht falsch. Dazu passend wünschen sich die Bürger, dass mehr Bürgernähe gezeigt wird und man ihre Stimme mehr hört. Das passt doch gut zusammen, muss jetzt nur noch gemacht werden.
Mit dem Informieren fängt es ja an. Am besten informiert bin ich über die Lokalpolitik tatsächlich in Deinem Blog und über Twitter.
Facebook nutze ich aus diversen Gründen nicht und bekomme also nicht mit, was dort so diskutiert wird.
Von beiden Lokalzeitungen sind Abonnements vorhanden, aber für die Papiervariante habe ich in der Regel keine Zeit und sie ist umständlich – und deren Online-PDF-Versionen sind auch ziemlich umständlich. Es wäre für Information und Demokratie ideal, wenn die Lokalzeitungen alle wichtigen Artikel frei (ist ja reichlich Werbung drumherum) in HTML auf ihren Websites stehen hätten … und nicht hinter einer Paywall, in umständlichen Dateiformaten erst nach Anmeldung, wohin man andere Interessierte für eine Diskussion nicht verlinken kann, usw. Die gefürchteten »Fakenews« sind kostenlos online … Aber auch die Lokalzeitungen informieren oft ziemlich spät und manchmal auch ungenau.
Auf der Sitzungsdienst-Website stehen schon viele Informationen. Ich würde die gerne öfter nutzen. Aber die Usability und Accessibility sind ein Graus. Man muß über Formulare und zig Links gehen, um irgendwie an Informationen zu kommen, von denen man eigentlich schon vorher wissen muß, daß es sie überhaupt gibt. Ich hatte schon einmal überlegt, ein Script zu schreiben, welches alle Informationen aus der Sitzungsdienst-Website ausliest und übersichtlich und chronologisch darstellt – das wäre aber richtig Arbeit. Es wäre hilfreich, wenn beim Sitzungsdienst RSS-Feeds für neu hinzugefügte Informationen angeboten würden, Kalender als ICS-Dateien abonniert werden könnten, eine komplette Tagesordnung eine Sitzung in einem vollständigen HTML-Dokument angezeigt werden könnte (nicht nur mit Links zu dutzenden Einzeldokumenten) und statt unhandlicher PDFs die Protokolle auch als HTML zur Verfügung gestellt würden. Und so weiter.
Eigentlich müßte es eine zentrale Plattform für Politik und Verwaltung in der Stadt geben, wo alle Informationen aktuell und übersichtlich vorhanden sind, Politiker bloggen können (falls sie kein eigenes Blog haben), Diskussionen stattfinden. Und das alles mit guter Usability und Accessibility, auch pseudonym/anonym möglich (ohne Beleidigungen, sachlich, informiert – ja, das alles ist Wunschdenken) und ohne kommerziellen Datenkraken wie Facebook (Inhalte von der Plattform könnte man ja trotzdem auf Facebook verlinken, wenn man wollte).