Wer wen wie in der Politik vertritt
In der aktuell laufenden Reihe über die Kommunalpolitik in der Neuen-Westfälischen wird u.a. die Frage gestellt Neue-Westfälische vom 30.01.2017 – Problemviertel sind im Rat unterrepräsentiert
… Eine immer weiter sinkende Wahlbeteiligung, Parteien mit nur noch 20 Mitgliedern und trotzdem fünf Ratsmitgliedern – können sie eigentlich das Volk repräsentieren? …
Ich hoffe, das war nicht ernstgemeint. Es wird dann auch von Detlef Sack korrekt erklärt: es kommt nicht darauf an, wie viele (zahlende) Mitglieder eine Partei hat, sondern wieviele Menschen diese bei einer Wahl auch wählen. Ich finde die Frage wie sie dort gestellt war schon grenzwertig und auf dem Niveau der meisten Kommentarspalten bei Facebook. Dort wird auf ähnlich niedrigem Level geschrieben.
Zur Beteiligung und der Handlungsfähigkeit der Parteien kann ich teilweise den Ausführungen zustimmen. Zumindest was das Wahlverhalten angeht. Die Beteiligung an der Parteiarbeit gestaltet sich jedoch mitunter noch schwieriger. In den letzten Monaten hatten wir erfreulicherweise aktive Zugänge – teilweise ausdrücklich aufgrund der politischen Entwicklung. In den vielen Jahren vorher sah das anders aus. Es waren selten mal „Neue“ dabei. In zwei konkreten Fällen erinnere ich mich, dass diese nicht mehr kamen, nachdem die Mitarbeit ausgeweitet werden sollte. Es wird immer gerne angeregt, geredet und Ideen vorgestellt, wenn man dann aber sagt „Prima, finde ich gut. Stell‘ doch mal was zusammen und bring‘ es beim nächsten Mal mit!“, dann ist Schluss.
*Das* ist das Problem – nicht nur in der Politik. Elternvertretungen, Sport- oder Fördervereine können da sicher ein Lied von singen. Detlef Sack sprach es ja auch an: lädt man ein, kommen immer die Gleichen. Weil es eben auch nur ein ganz paar sind, die aktiv Interesse zeigen und im besten Fall bereit sind, Zeit zu investieren. Und meine Erfahrung sagt auch ganz deutlich, dass es nicht daran liegt „keine Zeit zu haben“. Ich habe auch keine Zeit, engagiere mich aber und dann fallen eben andere Dinge weg. Ich bin nur noch höchst selten im Kino, ich fahre ein paar tausend Kilometer weniger Fahrrad im Jahr und mit Freunden treffe ich mich kaum noch. Das müssen wir dann immer Monate im voraus per Doodle organisieren. Meine Frau meckert, dass in jeder Woche mindestens zwei bis drei Termine sind.
Gerade das mit „keine Zeit“ wird mir aber regelmäßig gesagt. Für viele Menschen heisst „keine Zeit“ denn auch „Ich habe Sport“, „Da treffe ich mich immer mit Gruppe XYZ“ und ähnliches. Und das ist absolut zu akzeptieren! Jeder teilt sich sein Leben so ein, wie er es mag und es für richtig hält. Oft auch im Zusammenhang mit „Ich bin im Beruf so eingespannt!“. Ich denke mir dann immer a) glauben die ich gehe nicht zur Arbeit b) habe kein Haus und Garten c) kümmere mich nicht um meine Kinder d) will nicht mal nur auf dem Sofa liegen? Es ist die Bereitschaft, seine Zeit anders einzuteilen, die ein gewichtiges Pfund bei der Mitarbeit in politischen Dingen darstellt.
Und ob man das als Partei mit der von Detlelf Sack erwähnten „direkten Ansprache“ hinbekommt, halte ich für fraglich. Das klappt bei Sachthemen der Verwaltung schon nicht. Ich erinnere mich an einen Workshop zur Verkehrsinfrastruktur, zu dem gezielt ein gutes Dutzend Bürger eingeladen wurden – teilweise aus dem Pool derjenigen „die bei sowas immer da sind“, aber auch andere. Wir saßen da letztendlich mit zwei Menschen, die nicht aus der Verwaltung kamen. Der Rest war trotz Zusage ohne Abmeldung nicht erschienen. Vor vielen Jahren hat die Verwaltung ins Bürgerhaus Rehme eingeladen, um dort den geplanten Haushalt den Bürgern vorzustellen und darüber zu diskutieren. Die Anzahl der anwesenden Bürger, die nicht auch gleichzeitig Ratsmitglieder sind, war an zwei Händen abzuzählen. Darüber später meckern kann aber gefühlt die halbe Stadt.
Ehrlich, wir freuen uns über jeden der zu den Treffen und Versammlungen kommt. Sei es nun bei unserer Partei oder aber auch zu den Treffen von anderen Organisationen. Bei den Treffen des ADFC – der in Oeynhausen hauptsächlich aus verkehrspolitischen Gründen eine Ortsgruppe hat – sind auch nur zwei Menschen die Problemthemen nach außen tragen und aktiv sind. Es ist schwierig, Menschen zu finden, die mehr machen möchten, außer auf die Straße zu gehen und rumzubrüllen, dass alles Scheiße ist, Merkel weg muss und die Flüchtlinge Schuld sind. Sowas kann man machen, ohne Zeit vom Playstation spielen abzwacken zu müssen. Wenn man sich da die Seele ausgekotzt hat, kann man wieder zurück auf’s Sofa. Nur aktiv irgendwo mit- oder gar auszuarbeiten ist das halt nicht. Und was passiert, wenn auf so einer Basis die Wähler motiviert werden gewählt wird, sieht man aktuell auch recht deutlich. Die dann in Parlamente Gewählten arbeiten eben auch nicht.
Insofern finde ich es immer sehr problematisch, wenn auf Verwaltungen, Parteien und – ich erweitere es jetzt mal um Vereine – ähnliches gezeigt wird, mit dem Hinweis, ihr müsst anders ansprechen und aktivieren. Ich habe aktuell allerdings auch keine Ahnung, wie man diese grundsätzliche Stimmung ändern kann.
Wobei man fairer Weise auch sagen muss, dass das System wenig Belohnung für jene Parat hat, die sich dann doch beteiligen. Ich bin vor wenigen Jahren auch mal in einer Initiative dabei gewesen, die etwas positives mit Verbesserungsvorschlägen zum eigenen Ortsteil beitragen wollte. Da waren dann mehrere Leute dabei die auch tatsächlich was ausgearbeitet haben.
Am Ende stand man dann aber doch mit ziemlich leeren Händen da. Bei einem Punkt wurden die Zuständigkeiten zwischen Gemeinde und Land hin und her geschoben. Fazit: Geht nicht! Beim anderen Punkt fehlte das Geld (Mittlere vierstellige Summe für Ortsbild und Verkehrssicherheit): Fazit: Geht nicht! Bei der nächsten Sache wollten die betroffen Anlieger ihre Ruhe haben. Fazit: Geht nicht! Und bei noch einer Sache gab es Probleme wegen der Versicherungspflicht. Fazit: Geht nicht!
Alles was erreicht wurde war eine neue Sitzbank, eine Webseite und viele warme Worte, sowie die Erkenntnis, dass die Missstände nicht zufällig so sind, wie sie sind, sondern das da Desinteresse, Finanzen, oder schlichtweg Ablehnung einzelner, aber entscheidender Personen im Weg standen. Du kennst solche Probleme ja z.B. aus Deinen Arbeitskreisen zum Radverkehr.
Mein Fazit war: Aufwand und Ertrag sehen in keinem Verhältnis zueinander. Und solange man das dann doch ehr als Arbeit für die gute Sache, denn als Hobby sieht, lohnt sich das einfach nicht. Das mit Abstand beste an der Sache war, dass man ein paar nette Leute kennengelernt hat. Einer davon hat es später sogar in den Stadtrat geschafft. Das ist natürlich schön, aber war nicht das eigentliche Ziel.
Komplette Zustimmung zu Deinem Kommentar. So ist es – leider. Kann ich auch nicht beschönigen oder relativieren. Tatsächlich nicht nur in solchen Initiativen, sondern auch in Parteien und Fraktionen. Dort wird auch beileibe nicht alles umgesetzt, was ausgearbeitet wird.