Mehr Videoüberwachung nötig?

Nach jedem Anschlag, Über- oder Unfall kommt aus den immer gleichen Ecken der Ruf nach noch mehr Videoüberwachung. Gleichwohl es in Ländern, in denen es schon deutlich mehr Überwachung gibt, dadurch keine erhöhten Aufklärungs- oder gar Verhinderungsquoten erzielt werden. Und sogar Teile der Polizei und Gerichte sprechen inzwischen davon, dass mehr Überwachung nicht automatisch zu mehr Sicherheit oder Aufklärung führt.

Die dauerhafte Überwachung der Menschen die zum weit überwiegenden Teil schlicht gar nichts verbotenes tun und deren Aktivitäten trotzdem gespeichert und ausgewertet werden können, wiegt ziemlich schwer. Machen wir uns nichts vor, was da ist, wird auch genutzt. Und gerade im Fall Amri und dem Berliner Weihnachtsmarkt wird ja sehr deutlich, dass es nicht an der mangelnden Videoabdeckung lag, sondern daran, dass die Überwachung durch die ausführenden Organe schlicht versagt hat. Der Täter war einschlägig bekannt und es wurde von anderen Ländern explizit gewarnt. Was würde da bitte eine weitere Kamera bringen?

Man kann solche Anschläge nicht verhindern. Jedenfalls nicht mit Kameras. Wohl kann man aber mit der Forderung nach Überwachung und dem Hinweis, dass ohne gar nichts mehr geht, sehr schön von seinen eigenen Versäumnissen ablenken, die Handflächen nach oben halten und „Seht her, wir hatten Recht!“ sagen.

Ich möchte beim Spaziergang im Kurpark jedenfalls nicht gefilmt werden, oder in der Klosterstraße, oder oder oder. Weiß ich, wer sich das anguckt, wie lange es gespeichert wird und mit was es noch alles verknüpft wird? Ach, solange ich nichts verbotenes tue, kann es mir doch egal sein? Ich habe ja nichts zu verbergen? Wenn ich die Leute nach so einer Ansage frage, ob ich mal deren Handy haben darf, weil ich gerne den Whatsapp-Verlauf lesen möchte, gibt’s große Augen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die dann auch keine Anleitung zum Bombenbauen dort verstecken oder sich per Whatsapp zu einem Anschlag verabreden, trotzdem will das keiner raus rücken.

Aber Videoüberwachung kriegt man ja nicht direkt mit. Das merkt Otto Stammtisch nicht, wenn er die Klosterstraße rauf geht. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Solange ein Terrorist mit den Bildern aus der Mautüberwachung erwischt wird, ist es völlig in Ordnung, dass alles überwacht wird. Aber wenn mit den gleichen Bildern der eigene Tempoverstoß geahndet wird, dann ist das Geschrei groß. Vor allen Dingen, wenn dann dooferweise nicht die eigene Frau auf dem Beifahrersitz sitzt. So weit denkt aber niemand am Stammtisch, wenn er nach mehr Überwachung kräht.

Sehr angenehm finde ich daher den unaufgeregten Artikel der Neuen-Westfälischen von gestern: NW vom 28.12.2017: Videoüberwachung nur in Grauzonen

… Von einer totalen Überwachung des Öffentlichen und Privaten, für die George Orwells „Big Brother“ steht, ist die Kurstadt noch erfreulich weit entfernt

In wie vielen Fällen Videoaufnahmen schon zur Aufklärung einer Straftat im Kreis Minden-Lübbecke beigetragen haben, kann der Polizeisprecher nicht sagen. Steinmeyer weiß aber: „Nicht jede Aufnahme ist ein Treffer.“
„Erfreulich“ dass es noch keine totale Überwachung gibt, ist als Formulierung schon mal zu begrüßen und auch dass der Sprecher der Polizei sich so zurückhaltend äußert, deckt sich mit dem, was an anderen Stellen so geschrieben und gemutmaßt wird. Die Behörden haben schon viel zu viele Informationen, als dass sie diese sinnvoll auswerten und nutzen könnten.

Es fehlen nicht noch mehr Daten, es fehlt das Personal, mit dem Vorhandenen etwas anzustellen!

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

2 Kommentare zu „Mehr Videoüberwachung nötig?

  1. Ich lehne mich jetzt mal aus dem Fenster und behauptet das jeder Terrorist stolz ist bei seinem Anschlag gefilmt zu werden.

    • Das kommt noch dazu und ist auch das Argument einiger Juristen. Es kann sein, dass die Videoüberwachung zusätzlich anzieht und die entsprechenden Plätze „medienwirksam“ macht … und Aufmerksamkeit ist ja eins der gewünschten Ziele.

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