Datenschutz macht verdächtig!
Der Rechner einer Bielefelderin wurde von jemandem kompromitiert, ausspioniert und ferngesteuert. So weit, so möglich. Auch dass der Anschlussinhaber, von dem diese Aktion ausging, zu ermitteln ist, ist wahrlich kein Hexenwerk. Ein bisschen ausgeschmückt berichtet die Neue-Westfälische in ihrer heutigen Ausgabe darüber. Der Angeklagte kam letztendlich jedoch mit einem Freispruch davon, weil ihm der Vorgang nicht nachgewiesen werden konnte. Zwar halte auch seine Einlassungen für ziemlich lächerlich, jedoch ist es das gute Recht jedes Angeklagten, zu sagen was er will – und solange ihm niemand beweisen kann, dass es nicht so ist, ist er eben freizusprechen. Nein, das gefällt mir auf einer moralischen Ebene auch nicht, ich bin aber sehr froh, dass manchmal nicht alles nach meiner Mütze läuft. Ansonsten wäre der Denunziation, Falsch- und Vorverurteilung sowie der Selbstjustiz Tür und Tor geöffnet. NW vom 22.02.2013: Bielefelderin zu Hause per Laptop ausspioniert
[…] ein IT-Spezialist […] kam aber mit einem Freispruch davon, weil man ihm die Täterschaft nicht mit nötiger Sicherheit nachweisen konnte. Also hat man nichts gefunden, dass man gegen ihn verwenden konnte. Die Geschichte, der Laptop habe in einem Besprechungsraum gestanden und dort hätte jeder Zugriff gehabt, bevor der Angeklagte ihn auf dem Flohmarkt gekauft hat, ist weit hergeholt. Allerdings frage ich mich, wie technisch versiert die Anklagenden sind. Denn der Besprechungsraum wird wohl kaum eine Adresse aus dem IP-Adressbereich gehabt haben, über den der Angeklagte aufgefunden wurde. Hat man ihn nicht über seine IP ausfindig gemacht – alles andere würde mich wundern – ist es natürlich ziemlich dämlich, überhaupt eine Anklage zu erheben. Andernfalls ist es wurstegal, wo der Laptop mal gestanden hat, wenn der Angriff vom Anschluss des Angeklagten kam.
Am schlimmsten und geradezu gefährlich ist jedoch folgende Aussage: Gegen den Angeklagten sprach vor allem, dass ein Gutachter auf dem Laptop einen verschlüsselten Bereich gefunden hatte, der nicht zu knacken war. Wie bitte? Meine Rechner sind alle verschlüsselt und ohne Passwort bekommt weder ein Gutachter noch ein Spezialexperte den überhaupt hochgefahren. Und ich habe auf den komplett verschlüsselten Festplatten auch noch zusätzlich verschlüsselte Bereiche, damit nicht jemand der vor dem hochgefahrenen System sitzt, unberechtigt auf Daten zugreifen kann die ihn nichts angehen. Ich persönlich sehe das als normales Verhalten an. Gerade vor dem Hintergrund, dass offensichtlich Hacker fremde Rechner fernsteuern. Genau darum dreht sich ja dieses Verfahren.
Wenn ich Geräte nutze, die potentiell von Dritten kompromitiert werden können, dann schütze ich die Dinge, die keinen was angehen. Das ist nicht verdächtig, das ist vernünftig. Punkt. Und diese Vernunft ist der Hauptanklagepunkt („… sprach vor allem …)?
Wenn allein die Tatsache, fremden Leuten den Zugriff auf persönliche Informationen zu verweigern, mich verdächtig macht, dann läuft etwas gewaltig schief. Als nächstes ist man verdächtig, wenn man seine Haustür abschließt oder im Freibad eine Umkleidekabine benutzt. Ich höre schon die „Ich habe doch nichts zu verbergen!“-Fraktion aus den Löchern kriechen – die sind aber auch die ersten, die sich sehr bedeckt halten, wenn man sie nach der Höhe ihres Gehaltes oder den Vorlieben im Schlafzimmer fragt. „Ich habe nichts zu verbergen!“ gilt immer nur für die anderen.
Die mangelnde Fachkenntnis der Richter wird aber durch folgenden Satz anschaulich illustriert: Das glaubte ihm der Richter ebenso wenig wie „dass ein Computerexperte einen Laptop auf einem Flohmarkt kauft“. Mein Mainboard im PC ist aus 2005. Das Gehäuse habe ich schon länger. Den Prozessor habe ich im virtuellen Flohmarkt ‚ebay‘ gekauft, weil der so alt ist, dass ich ihn neu nicht mehr bekomme. Ich arbeite mit Steinzeit-Hardware … und es gibt Leute, die behaupten ich habe ein bisschen Ahnung von der Materie. Manche zahlen mir sogar Geld dafür. Natürlich habe ich von Jura keine Ahnung, kann dem Richter aber versichern, dass sich „Computerexperten“ durchaus auch auf Flohmärkten mit Hardware versorgen. Sogar Milliarden-Dollar-Projekt wurden mit Flohmarkt-Hardware am Leben erhalten. Er sprach trotzdem frei – im Zweifel für den Angeklagten. Ein letzter Rest Anstand und Respekt vor dem Gesetz scheint aber noch vorhanden gewesen zu sein. Angesichts der gemachten Äußerungen stellt sich die Frage: wie lange noch? Wie gesagt, ich bin aufgrund des Artikels auch mehr als skeptisch, aber ohne Beweise geht es nunmal nicht.
„Zwar halte auch seine Einlassungen für ziemlich lächerlich, jedoch ist es das gute Recht jedes Angeklagten, zu sagen was er will – und solange ihm niemand beweisen kann, dass es nicht so ist, ist er eben freizusprechen.“
Dem ist nicht so. Einer Einlassung des Angeklagten, für die nichts spricht, muss nicht nur deshalb gefolgt werden, weil sie sich nicht widerlegen lässt (BGH, ständige Rechtsprechung).
Man ist nicht seiner Einlassung gefolgt, ihm konnte nur nichts anderes bewiesen werden. Von folgen schreibe ich nichts und im Artikel steht auch eher das Gegenteil.