Geblitzt

In den letzten Wochen haben wir vermehrt Mails von Bürgern erhalten, die sich über die gefahrenen Geschwindigkeiten in ihren Straßen aufregten. Allesamt Tempo-30-Zonen oder Gebotsstrecke 30 Km/h … ich glaube diese Berichte sofort, nicht zuletzt weil ich das überall wo ich fahre exakt so erlebe. Wenn irgendwo „30“ steht, dann wird das ignoriert. Anders kann ich das Verhalten nicht einschätzen, welches dort an den Tag gelegt wird.

In der Sielstraße z.B. hat die Verwaltung nach Beschwerden und Anträgen in Verkehrsüberwachungen eine Durchschnittsgeschwindigkeit deutlich über 30 Km/h festgestellt – ich habe damals im Ausschuss für Stadtentwicklung nachgefragt, wie das zufriedenstellend sein kann. Das gleiche habe ich schon vor meiner Zeit im Rat für die Kirchbreite angemosert, in dem freudestrahlend eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über 40 Km/h als akzeptabel bezeichnet wurde. Auch die Durchschnittsgeschwindigkeit auf dem Westkorso liegt – wenn ich mich richtig an die letzte Präsentation erinnere – über 30 Km/h, genau wie auf der Herforder Straße. Schon vor meiner Zeit im Rat habe ich gegenüber der Verwaltung angemerkt, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer Straße doch wohl in keinem Fall über der zulässigen Maximalgeschwindigkeit liegen kann.

Nachdem mir gestern eine entsprechende Mail zuging, bin ich in die Handwerkerstraße gefahren, die in Verlängerung der Düsteren Straße ganz offensichtlich als schicke Abkürzung genutzt wird. Die Straße ist eine Gebotsstrecke 30. Leider sind an der Kreuzung Hinterm Busch die Schilder verlustig gegangen, so dass dort zumindest laut Beschilderung schneller gefahren werden darf. Dies wird angeblich auch gemacht. Wenn ich meckern will, dann gucke ich mir die Stellen vorher an. Und ich überprüfe auch meine subjektive Wahrnehmung. Dazu – und auch ein bisschen aus Spaß – habe ich mir vor langer Zeit eine Radarpistole im Spielzeughandel gekauft, die aber in einem Test (den ich leider nicht mehr finde) erstaunlich genaue Werte lieferte. Und auch meine Test mit Auto, GPS und Hot-Wheels-Pistole zeigen, dass man die angezeigten Geschwindigkeiten durchaus nennen kann.

Ich habe das Ding aber nur ein oder zweimal genutzt und es liegt seit Monaten im Regal. Mussten also neue Batterien rein und dann los. Angefangen bin ich gegen 17 Uhr in der Nordstraße im 40er-Bereich des Berufsbildungswerkes. Viel Verkehr war dort nicht, unter 40 Km/h zeigte die Pistole bei keinem der anvisierten Fahrzeuge an. Es wurde zwar nicht „gerast“, aber um 50 Km/h waren alle unterwegs. 40 ist Maximum, der schnellste sauste mit etwas unter 70 Km/h um die Ecke. Danach bin ich in die Handwerkerstraße gefahren und habe an der Einmündung Hinterm Busch geschaut, was dort los ist. Auch sehr wenig Verkehr und zumindest an der Kreuzung ist wirklich so gut wie niemand zu schnell unterwegs gewesen. Da wird gebremst und geschaut. Ein jugendlicher Rabauke ist mit seinem Kleinwagen mit röhrendem Motor über die Kreuzung gerast, ansonsten wurde sehr gesittet – teilweise unter 30 Km/h – gefahren. Klar, unübersichtliche Kreuzung. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass die Fahrzeuge danach meist stark beschleunigten.

Von dort bin ich zur Kirchbreite geradelt und habe mich in die Bushaltestelle vor dem Zebrastreifen gestellt. Gebotsstrecke 30, Zebrastreifen, Schule und Wohngebiet. Laut der Radarpistole ist niemand unter 30 gefahren. Ein Lieferwagen war mit knapp 65 auf dem LCD der Schnellste. Erstaunlicherweise war der Langsamste mit 33 Km/h ausgerechnet ein Taxifahrer, der mich sehr interessiert beobachtete. Wahrscheinlich war er deshalb so sinnig unterwegs. Ansonsten war 45 bis 55 Km/h das Maß der Dinge an der Stelle. Und wenn ich schon mal unterwegs bin, dann noch weiter. Am alten Postweg habe ich zwischen Kleines Lohfeld und Ovelgönner Weg geschaut, was die Spielzeugradarpistole anzeigt. Tscha, teilweise sogar unter 50 Km/h. Sogar ich würde an der Stelle sagen, dass sich alle an die Regeln gehalten haben. Ein Ausreißer war ein Geländewagen mit Pferdeanhänger, der womöglich einen wichtigen Termin hatte und deshalb den Alten Postweg mit ca. 65 befuhr.

Abschließend bin ich nach Hause gefahren und habe auf dem Weg noch kurz im Dörgen zwischen Auf der Hude und Hahnenkampstraße angehalten. Hier handelt es sich ebenfalls um eine Gebotsstrecke 30, weil die Stadt im letzten Jahr quasi über Nacht die 30-Zone umgewandelt hat. Mein subjektiver Eindruck, dass dort nun schneller gefahren wird als erlaubt, hat sich bestätigt. Unter 30 fuhr an der Stelle niemand. Spitzenreiter – Klischee, Klischee – waren ein Wagen der nächstgelegenen Pizzabude sowie eines mobilen Pflegedienstes, die beide laut meinem Messgerät über 50 Km/h fuhren.

Das ist natürlich alles nur mit einem „Spielzeug“ gemessen. Es ist nicht repräsentativ und die Uhrzeit war auch ungünstig, weil der Berufsverkehr schon vorbei war. Außerdem habe ich immer nur 5 Minuten an den Stellen gestanden. Gerade am Alten Postweg hat mich gewundert, dass die Fahrzeuge so langsam unterwegs waren. Womöglich trägt die Baustellenbeschilderung zu dieser Tatsache bei. Leider hat sich auch gezeigt, dass Tempo-30 für die Verkehrsteilnehmer ganz offensichtlich nicht als Maximalgeschwindigkeit realisiert wird. Ich hatte im Dörgen auch ein nettes Gespräch mit einem jungen Mann, der sich für meine „Pistole“ interessierte (und mit dem Fahrrad unterwegs war) und mir sagte, dass er sich bei 30 auch etwas blöd vorkommt. Nun, das ist nicht zuletzt Gewöhnungssache. Ich komme mir dabei kein bisschen blöd vor. Denn wenn ich statt 30 mit 50 unterwegs bin, halte ich Zweifel vor dem Kind nicht mehr an, sondern erwische es noch voll. So einfach ist das. Das sich in Wohngebieten und/oder vor Schulen die meisten nicht an die Regeln halten, finde ich traurig.

Diejenigen, die dort zu schnell fahren, wohnen auch irgendwo. Und ich wette, sie beschweren sich, dass bei ihnen vor der Tür so sehr gerast wird! Neue Schilder, Piktogramme auf der Fahrbahn, lustige Grinsegesichter auf Geschwindigkeitsmesstafeln … das bringt alles gar nichts. Die Einstellung der Menschen muss sich ändern. Und das tut sie nicht, weil sich jeder selbst der nächste ist. Im Auto will er möglichst schnell voran kommen und regt sich über alles auf was ihn dabei behindert und vor der Haustür hat gefälligst Ruhe zu herrschen.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

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