Halbherzige Transparenz
In den Protokollen der Rats- und Ausschusssitzungen werden die Abstimmungsergebnisse als Gesamtzahlen veröffentlicht. Also in der Art „33 dafür, 11 dagegen, keine Enthaltungen“. Es wird nicht festgehalten, wer wie abgestimmt hat. Außer es wird ausdrücklich eine namentliche Abstimmung von mindestens einem Fünftel der Mitglieder des Rates beantragt. In der Vergangenheit schien mir das häufig der Fall zu sein, wenn man gegenüber Ratsmitgliedern, die eine andere Meinung vertreten, eine leichte Drohkulisse aufbauen wollte. Motto: „Wenn ihr so oder so abstimmt, dann wollen wir wenigstens festgehalten haben, wer den Mist verbockt hat.“ – kann man machen.
Nun wird aber auch bei diesen Beschlüssen nur die Summe der Abstimmenden veröffentlicht. Die namentlichen Listen werden als Anlage dem Originalbeschluß beigefügt und weder an die Ausschuss- oder Ratsmitglieder verteilt, noch veröffentlicht. Sagen wir es mal deutlich: sie verstauben im Archiv. Das ist kein Fehler oder Eigenwilligkeit der Verwaltung als Protokollführer, das steht ganz schlicht und ergreifend so in der Geschäftsordnung des Rates aus 2008. Dort findet man in § 16 Nr. 3 (3) Auf Antrag von mindestens einem Fünftel der Mitglieder des Rates erfolgt namentliche Abstimmung. Bei namentlicher Abstimmung ist die Stimmabgabe aller Stimmberechtigten in einer Anlage zur Niederschrift zu vermerken. Gut, ich lese da jetzt nicht ausdrücklich heraus, dass man den Teil der Niederschrift nicht an die Ratsmitglieder aushändigt, aber die Verwaltung interpretiert es so. Da muss ich dann noch einmal nachfragen, ob sich heute auf diesen Passus bezogen wurde, oder ob woanders noch deutlicher steht, dass nicht ausgehändigt wird. Jedenfalls hat es in der Vergangenheit niemand beanstandet.
Wie dem auch sei, heute stellte die BBO-Fraktion im Rat den Antrag, die Liste der namentlichen Abstimmung aus einer vergangenen Ratssitzung zu veröffentlichen. Ich finde es grundsätzlich in dem Zusammenhang genauso merkwürdig, nur für eine Abstimmung die Liste zu beantragen, wie überhaupt zu Themen wo es nicht vorgeschrieben ist, eine namentliche Abstimmung anzustreben. Aber falls eine namentliche Abstimmung im öffentlichen Teil einer Sitzung erfolgt, dann gehört nach meinem Verständnis die entsprechende Liste natürlich auch in die öffentliche Niederschrift. Zu meiner Schande muss ich gestehen, mir darüber in den letzten 2 1/2 Jahren keine Gedanken gemacht zu haben. So oft kam es allerdings auch nicht vor.
Heute hätte der Rat also die Möglichkeit gehabt, die anfangs dieser Ratsperiode vollmundig angekündigte Transparenz und den gläsernen Rat umzusetzen. Aber nicht zuletzt die Fraktion, die meinem Empfinden nach die meisten namentlichen Abstimmungen beantragt hat, hat sich recht deutlich dagegen ausgesprochen und sah Tür und Tor für Diffamierungen im Internet geöffnet. Dazu hätte ich sehr gerne etwas gesagt und stand auch schon auf der Rednerliste, aber eine andere große Fraktion stellte den Geschäftsordnungsantrag auf Ende der Debatte, da schon alles gesagt sei.
Welchen Grund kann man haben, seine in öffentlicher Sitzung abgegebene Stimme nicht öffentlich unter einem Beschluss veröffentlicht sehen zu wollen? Ich finde das ist essentiell und gehört zu meinem Demokratieverständnis ganz selbstverständlich dazu. Wir hätten heute problemlos eine Ergänzung zu der Geschäftsordnung beRATen können. Gar kein Problem.
Mit Mehrheit der beiden großen Fraktionen und dem kleinen Anhängsel wurde jedoch dagegen votiert, die Namenslisten öffentlich zu machen. Natürlich in namentlicher Abstimmung – das Quorum um diese durchzusetzen war immerhin erreicht. Ich gehe davon aus, dass es im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes möglich ist, als normaler Bürger diese Listen zu bekommen. Als Ratsherr darf ich nur Akteneinsicht nehmen und per Hand abpinnen.
»Klarmachen zum Ändern!« … Das ist jedenfalls eine Konsequenz, die die etablierten, großen Parteien mit solchen Aktionen fördern.
Tja, das sehe ich leider genauso. Ich vermute, dass das die meisten verkennen. Auch kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass alle Anwesenden wirklich so dachten, wie sie gestimmt haben.