Schön langsam
Was ein Wetter draußen! Die Sonne scheint, wir haben einen wunderbar klaren Himmel, die Vögel zwitschern. Morgen beginnt der Frühling und er klopft heute schon an die Tür. Zum Brötchen holen habe ich selbstredend den Volvo nicht benutzt und bei dem schönen Wetter auch das Rad stehen lassen, um die Luft auf den 500 Metern zu genießen.
Geht aber nicht allen so. Einige scheinen diese Ruhe nicht zu mögen – oder haben es brandeilig. Im Stadtentwicklungsausschuss am vergangenen Donnerstag klopfte man sich noch gegenseitig auf die Schulter, wie schnell man doch auf einen (berechtigten und vernünftigen) Bürgerantrag reagiert hat. In der Sielstraße soll in Zukunft langsamer gefahren werden. Alle waren ganz froh, wie toll das gelaufen ist. Tatsächlich, wirklich schnell, gefällt mir auch. Nur ich habe dann die Verwaltung noch gefragt, wie es sein kann, dass man dort Geschwindigkeitsmessungen durchführt, ein Mittel von 36 Km/h feststellt und damit laut Vorlage zufrieden ist. 30 darf man maximal fahren, da kann der Durchschnitt gar nicht darüber liegen, wenn sich die Mehrheit an die Regeln hält. Geht nicht.
Und genau das ist der Knackpunkt. Die Mehrheit fährt bewusst zu schnell. Heute morgen im Dörgen kam mir ein silberner Mercedes-Kombi mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit entgegen. Als ich ihn durch 3 Finger auf die zulässige Gesschwindigkeit hinweis, zeigte er mir nur den Stinkefinger und fuhr unbeeindruckt weiter. Auch der 30 Sekunden später in die entgegengesetzte Richtung fahrende französische Kombi mit voll beladenem Fahrradheckträger wurde von seinem Fahrer ohne Kenntniss der Geschwindigkeitsregelung bewegt. Auch er zeigte mir nur eine beleidigende Geste.
Und darum glaube ich, dass diese Beweihräucherung von auf die Straße gemalten 30-km/h Piktogrammen nichts bringt: den Leuten ist es egal. Im Dörgen und der Hahnenkampstraße steht auch alle Nase lang ein 30er-Schild, interessiert niemanden. In der Triftenstraße genauso, auf dem Borweg auch, in der Bachstraße ist es ebenfalls egal. Überall wird schnell gefahren. Nur vor der eigenen Haustür soll das nicht so sein. Man ändert nichts, indem man Schilder aufstellt oder etwas auf die Straße malt. Man muß – wenn man die Geschwindigkeiten senken will – baulich tätig werden oder in das Portemonnaie der Leute greifen.
Aber da sagt die Verwaltung dann – angesprochen auf einen Blitzer am Ortseingang Werste – es gäbe keine rechtliche Grundlage dafür. Am Ortseingang der Mindener Straße von der Autobahn kommend, wird aber nach einem Blitzer gerufen. Verstehe ich das dann richtig, dass erst jemand sterben muss, bis eine rechtliche Grundlage vorliegt?
Die Herforder Straße wurde im Alleingang als Vorfahrtstraße ausgewiesen und die Tempo-30-Zone aufgehoben. Ein probates Mittel zur Geschwindigkeitssenkung mithin ohne Überlegung weggefegt. Und das obwohl alle involvierten Stellen eine Rechts-vor-Links-Regelung als wünschenswert bis alleinige Lösung ansehen – sei es die Polizei, die Bezirksregierung oder der eigene Fachbereich. Aber dann müsste man was tun (und richtigerweise haben wir da im Moment leider kein Geld übrig). Aber nicht mal ansatzweise wird in der Vorlage dokumentiert, dass eine andere Lösung angestrebt werden sollte! Und auch hier kein Widerspruch, nur ich Dödel frage wieder.
Auf der Weserstraße wird zügig gefahren, obwohl die Verkehrsdichte überschaubar ist. Da wird dann ein „Bürgerradweg“ gebaut – was ich grundsätzlich gut finde! Aber nur weil ich weiß, dass es ein Gehweg ist! Kein Radweg. Er wird nicht benutzungspflichtig. Auch hier: warum wird nicht darauf hingewiesen, dass Fahrradfahrer dort die in Zuklunft babypopoglatte Asphaltfläche der Fahrbahn nutzen können, statt der wassergebundenen und recht fix matschigen Oberfläche des neuen Bürgerradweges? Ich habe nach der Benutzungspflicht gefragt … außer 3 oder 4 Leuten im Saal wusste aber sicher niemand, was das sollte.
Mir macht es auch sehr viel Spaß mit meinem tiefergelegten, verspoilerten und breit-bereiften Auto zu fahren – selbst mit 30 Km/h! „Rechts vor Links“ Regeln, Vermischung der Verkehrsarten (vulgo: weg mit den Radwegbenutzungspflichten), Tempo-Kontrollen … alles Maßnahmen, die man umsetzen kann. Alles verlangsamt den Verkehr. Aber da will niemand ran, weil die heilige Kuh „Auto“ angetastet würde.
Nach meiner Beobachtung nehmen viele »Maximalgeschwindigkeit laut Verkehrsschild« plus 20 km/h als Richtgeschwindigkeit.
Das gilt nicht nur für Geschwindigkeitsbegrenzungen, auch Stopschilder und Sperrlinien haben heutzutage nur noch empfehlenden Charakter. Lediglich rote Ampeln scheinen derzeit mit einer Sekunde Verzögerung noch beachtet zu werden.