Biogas in Bad Oeynhausen

Der letzten Sitzung des Ausschuss für Klima habe ich als Gast beigewohnt. Der Zuschauerbereich war gut gefüllt, denn Rainer Meyer und Heinz-Wilhelm Reker stellten ihre Planungen zur Biogas-Anlage auf dem Gelände der alten Funkstation vor. Das Konzept ist durchdacht, vorausschauend geplant und die Anlage entspricht nach Fertigstellung den allerneuesten Vorschriften und gesetzlichen Regelungen – nicht zuletzt hinsichtlich des Immissionsschutzes. Der Vortrag der beiden Investoren erklärte eigentlich alle offenen Fragen und vermittelte sehr sachlich einen guten Eindruck vom Vorhaben – auch und ganz offen hinsichtlich der finanziellen Überlegungen.

Nun ist es so, dass bei jeder größeren baulichen Veränderung die Anwohner Sorge um ihren Status Quo haben – und das ist verständlich. Dann muss es Aussprachen und Informationsfluss geben. Und bei allem Verständnis für die Anwohner – diese Informationen liegen vor und sind meiner Meinung nach stichhaltig.

Vor dem Hintergrund immer längerer Laufzeiten für Atomkraftwerke, Strommonopolisten und eifriger Lobbyarbeit, die natürliche Energien sehr stiefmütterlich behandelt ist es sehr zu begrüßen, dass Anlagen die regenerative Energien ausnutzen gebaut und betrieben werden! Die Kommunen machen sich dadurch unabhängiger von großen Konzernen und verbessern die Verhandlungspositionen. Außerdem ist es ein deutliches Zeichen Richtung nachhaltiger Klimapolitik. Dies berücksichtigt finde ich die Berichterstattung in der Lokalpresse äußerst einseitig, unüberlegt und wenig differenziert.

Warum hier? Das nächste bewohnte Gebäude liegt ca. 200 Meter von der geplanten Anlage entfernt. In Bad Oeynhausen wird man wohl schwerlich ein Areal finden, welches halbwegs zentral liegt und gleichzeitig einen solch großen Radius zu Wohnbebauung hat. Warum zentral? Weil es schlicht keinen Sinn macht eine solche Anlage zu bauen ohne die komplette entstehende Engergie zu nutzen. Und dazu gehört auch die Abwärme, die beim Stromerzeugungsprozeß aus Gas zwangsläufig entsteht und die man effektiv nur an nahe gelegene Abnehmer verkaufen kann. Der Ort ist also ein nicht unwesentlicher Punkt der ganzen Planungen und in diesem Fall essentiell. Nun haben alle Anwohner unisono bekundet, dass regenerative Energien nötig und sinnvoll sind. Aber – O-Ton – „… muss das bei uns vor der Haustür sein?“!

Das Ding stinkt. Das Gas wird in drei Behältern erzeugt, die zweifach gasdicht abgeschlossen sind. Hier wird nichts nach außen dringen – und das macht Sinn, denn man möchte mit dem Gas arbeiten und es nicht in die Atmosphäre entweichen lassen. Bemerkbar machen wird sich das Lager für die Rohmasse. Diese wird in Betonsilos vorgehalten, die ebenfalls abgedeckt sind. Im Betrieb wird es sich nicht vermeiden lassen, dass bei Anlieferung und Entnahme die Abdeckung womöglich geöffnet wird.

Und ja, Silage riecht man und es nicht unbedingt angenehm. Aber wie weit riecht man diese? In Bad Oeynhausen gibt es das ein oder andere Silage-Silo. Z.B. auch unten am Weserradweg. Selbst als der Wind von vorne kam und mir Gerüche zuführte, habe ich Anfang dieser Woche auf einer kleinen Radrunde die Silage erst wahrgenommen, als ich ca. 50 Meter vom Silo entfernt war. Nach einhelligen Berichten der Ausschussteilnehmer, die eine vergleichbare Anlage besichtigt haben, ist das dort nicht anders gewesen. Sehr interessant fand ich in dem Zusammenhang, dass die Anwohner dieselbe Anlage besucht haben und den Geruch bei der ersten Erwähnung erst direkt auf dem Gelände als sehr störend empfanden, nach ein wenig Diskussion um die Entfernungen dieser „Störungsradius“ schnell immer größer wurde.

Das Ding macht Lärm. Der Gärungsprozess dürfte weitgehend lautlos sein, Traktoren verursachen keinen „Lärm“ – jedenfalls nicht, wenn man nicht direkt auf dem Trittblech neben der Fahrerkabine steht. In 200 Meter Entfernung wird man deren Motoren wohl nicht mehr hören. Ich habe 28 Jahre auf einem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb gewohnt – ich habe durchaus eine kleine Vorstellung, wovon ich rede. Außerdem sind die nicht immer in Betrieb. Ständig laufen wird der Generator. Ein Verbrennungsmotor, der laut ist. Dieser steht allerdings in einem schallisolierten Gebäude, aus dem nur ein Summen dringt. Ein Summen, welches 50 Meter weiter schon nicht mehr hören kann. Immerhin wohnt der Betreiber auf dem Gelände – so masochistisch wird ja niemand sein. Im übrigen auch, was den Geruch angeht.

Der Verkehr nimmt massiv zu! Die Betreiber rechnen mit etwas mehr als 1.200 Fahrten im Jahr – inkl. Anfahrt der Rohmasse (Getreide, Gülle) und Abtransport des Substrates. Rein rechnerisch wurde von 3,7 Fahrten am Tag gesprochen. Sagen wir mal pessimistisch, die Fahrten finden alle in einem Halbjahr statt und runden auf (nur um die Anzahl zu erhöhen), dann sind wir bei 10 Fahrten/Tag (und einige Tage, an denen nicht gefahren wird). Wieviele KFZ passieren die Weserstraße täglich? Ganz, ganz optimistisch geschätzt 2.000 KFZ? Je mehr es wären, desto besser die Bilanz zu Gunsten der Biogasanlage. Also 2.000 Bewegungen, dazu kommen 10 am Tag. Habe ich mich verrechnet, oder sind das 0,5% mehr Verkehr? Ich glaube, auf der Weserstraße ist deutlich mehr los, so dass der Prozentsatz deutlich geringer ist. Mithin wird die Verkehrszunahme nicht spürbar sein!

Das ist groß! Ja. Ich find’s auch total doof, dass 50 Meter weiter jemand ein Haus gebaut hat und ich jetzt in der Richtung keine freie Sicht mehr vom Balkon habe. Im Fall der Biogasanlage haben die Betreiber von sich aus sogar schon Mehrkosten eingeplant, indem sie die Fermenter 2 Meter in den Boden einlassen und so ein Drittel der Höhe einsparen.

Wie eingangs geschrieben, verstehe ich die Einwände – sehe sie allerdings entkräftet. Ich kann jedoch nicht gelten lassen, dass mir vorgeworfen wird, die Einwände einfach vom Tisch zu wischen, nur weil ich eine andere Meinung habe! Das empfinde ich als unverschämt. In dem Zeitungartikel des Westfalen-Blatt wurde außerdem erwähnt, den Anwohnern sei eine Viertelstunde Redezeit gewährt worden. Das ist richtig, jedoch wurde die Zeit sehr großzügig ausgeweitet bis auf nahezu eine halbe Stunde und selbst in der anschließenden Fragerunde, die eigentlich den Ausschussmitgliedern vorbehalten war, wurden die Anwohner gehört und Fragen beantwortet. Sogar wenn diese als lautstarke Zwischenrufe gestellt wurden. Dann auch noch während einer sachlichen Äußerung eines Ausschussmitgliedes wutentbrannt und türenknallend den Saal zu verlassen, ist schlicht unhöflich.

Angesichts der aktuellen energiepolitischen Lage ist so eine Biogasanlage selbstverständlich zu begrüßen. Dass der Betreiber damit Geld verdienen möchte ist wohl ebenfalls nicht überraschend.

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

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