Mehr Handlungsspielräume zur Förderung des Radverkehrs durch die neue StVO
Am Mittwochabend war ich auf dem Campus Minden der Fachhochschule Bielefeld und habe einen Vortrag von Herrn Dankmar Alrutz (PGV Hannover) zum Thema „Mehr Handlungsspielräume zur Förderung des Radverkehrs durch die neue StVO“ verfolgt. Eingeladen waren „alle Personen, die sich für das Thema ‚Radverkehr‘ interessieren“ und ich war in meiner Eigenschaft als Aktiver des ADFC in Bad Oeynhausen dort. Neben einigen anderen ADFClern schienen auch ein paar Mitarbeiter der Verwaltung der Stadt Minden anwesend zu sein, nebst dem dortigen Fahrradbeauftragten – welcher auch die Einladung ausgesprochen hat. Leider konnte unser Fahrradbeauftragter nicht zu der Veranstaltung kommen, ich habe ihn jedenfalls nicht entdeckt.
Herr Alrutz ging nach einer kurzen Einleitung im wesentlichen auf die Änderungen der neuen StVO im Vergleich zu der von 1997 ein und erläuterte einige Ergänzungen der neuen ERA (die hoffentlich nächstes Jahr heraus kommt) im Hinblick auf deren positive Auswirkungen für Radfahrer – die ich leider noch nicht alle durchschaut habe.
So wird es in Zukunft z.B. möglich sein, für „linke Radwege“ ein „Radwege frei“ vorzugeben. Dadurch darf ein Radfahrer auf einem linken Radweg fahren, muß es aber nicht. Welchen Vorteil sowas haben soll, ist mir noch nicht ganz klar. Wahrscheinlich gibt es noch nicht genügend Unfälle an Einmündungen. Und in diesen Fällen wird die Polizei ja auch nicht müde, fortwährend zu wiederholen, sofern sich der Radfahrer dort widerrechtlich in der falschen Richtung fortbewegt hat. Zukünftig werden wir also vielfach diese Schilder vorfinden, welche dem Autofahrer auf der Fahrbahn (fälschlicherweise!) suggerieren, dass der Radfahrer doch auf dem Hochbord fahren soll und der querende Kraftverkehr an noch mehr Stellen auf „unerwartete“ Radler von rechts achten muß. Tolle Verbesserung!
Weiterhin soll es Erleichterungen für die Einrichtung von Fahrradstraßen geben. Welche das sind, wurde nicht erwähnt. Aber schön, dass es so ist. Ich habe das in Bad Oeynhausen ja auch vor. Und endlich ist auch die ERA in der StVO ausdrücklich erwähnt und stellt somit mehr als nur ein Zettelwerk dar. Das ist von den Verwaltungen zukünftig bitte verbindlich zu beachten. Z.B. auch das sehr interessante Diagramm, in welchem man sehr schön die KFZ-Zahlen pro Stunde zu einer Anordnung einer Benutzungspflicht sortiert hatte. Bei bis zu ca. 9.500 KFZ/Tag bei 50km/h ist ein Mischverkehr auf der Fahrbahn der Regelfall. Selbst bei bis zu 1.000 KFZ/Stunde und 50km/h ist eine Benutzungspflicht nicht angeraten. Hier kann man z.B. über nicht benutzungspflichtige Radwege nachdenken oder den Gehweg für Radfahrer freigeben. Aber der Radfahrer sollte weiterhin auf der Fahrbahn fahren dürfen. Da bin ich ja mal gespannt!
Überhaupt können „nicht benutzungspflichtige Radwege“ (früher: „andere Radwege“) eine dauerhafte Lösung sein. Und die ERA stellt an benutzungspflichtige und solche Radwege ohne Benutzungspflicht die gleichen baulichen Anforderungen. Hier gibt es keine Unterschiede mehr. Verankert ist übrigens auch eine „Vorsorge gegen unerlaubtes Parken auf Radwegen“. Da musste ich ein wenig schmunzeln.
Viel Zeit des Vortrages wurde auf die „Schutzstreifen“ verwendet. Ich halte diese Lösung für gegorenen Blödsinn in Tüten. Autofahrer neigen dazu, bei deren Vorhandensein den Streifen als Fahrmarkierung für ihren rechten Reifen anzusehen. Bei 1,25 Meter breiten „Schutz“streifen (das ist das Mindestmaß und mehr machen Verwaltungen dann auch nicht) bleibt da kein Mindestabstand beim Vorbeifahren an Radfahrern. Nicht wenn diese nicht in der Gosse fahren und dadurch Unfälle durch Dreck oder sich öffnende Autotüren riskieren. Autofahrer, welche trotz „Schutz“streifen einen ausreichenden Abstand beim Überholen einhalten, machen dies auch ohne eine solche Markierung. Alle anderen fühlen sich lediglich ermutigt, den Radfahrer nun erst recht in seinen Bereich zu drängen. Sicher ist das nicht.
Wichtigste Erkenntnis in dem Zusammenhang war: niemand kennt die Sonderregelungen für Radfahrer. Weder sie selbst, noch weniger die Autofahrer. Die Besonderheiten von Benutzungspflichten sind weitgehend unbekannt und führen dazu, dass der motorisierte Verkehr alles was nur ansatzweise nach Radweg aussieht als „benutzungspflichtig“ ansieht und dementsprechend im Verkehr agiert. Jeder halbwegs regelmäßige Radfahrer ist sicher auf der Fahrbahn durch Hupen oder Gestikulieren auf den vermeintlichen Radweg hingewiesen worden. Wesentlich wichtiger als alle baulichen Maßnahmen ist also eine Aufklärungskampagne, welche Fahrradfahrer ins Bewusstsein Aller ruft: als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer!
Drei Kernpunkte wurden zu baulichen Maßnahmen noch genannt:
* Besser keine als eine schlechte Radverkehrsanlage!
* Kein Ausklammern von Problembereichen
* Keine Kombination von Minimalelementen
Mit diesen Vorgaben kann man eigentlich alle blauen Schilder in Bad Oeynhausen abmontieren.
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