Neue Wege der Mobilitätserziehung

Gestern abend lud der VCD und der ADFC Löhne zu einer Vortragsveranstaltung „Neue Wege in der Mobilitätserziehung“ in die Werretalhalle in Löhne ein. Zielgruppe waren wohl in erster Linie die Lehrer der umliegenden Grundschulen, aber über den ADFC habe ich die Einladung auch bekommen. Wenn auch recht kurzfristig, reichte es aber doch noch um nach einem Beratungstermin schnell noch in die Nachbarstadt zu fahren.

Philip Spitta referierte und stellte u.a. auch Auszüge aus seinem „Praxisbuch Mobilitätserziehung: Unterrichtsideen, Projekte und Material für die Grundschule“ vor. Das war alles richtig und recht interessant, hätte aber auch ganz kurz mit „Zurück zu den Wurzeln“ beschrieben werden können. Die Ansätze „zu Fuß in Gruppen zur Schule gehen“ (neudeutsch: Walking Bus) werden zwar neuerdings in Löhne praktiziert, sind aber auch vor 30 Jahren schon gang und gäbe gewesen. Zwischenzeitlich nur wieder vergessen worden, genau wie die alte Tradition „mit dem Rad zur Schule“ zu fahren. Oder „einfach mal zu den Freunden rüber gehen“ und „im Wald spielen“. Da wird viel gemacht an den Schulen (das meine ich Ernst), um den Kinder das Verkehrsgeschehen nahe zu bringen und Regeln zu erläutern. Das man das am besten in der Praxis macht und eine Ampel in natura zeigt, liegt nahe – wie Herr Spitta mit zahlreichen Folien verdeutlichte.

Aber das reicht eben nicht! Das Problem sitzt meiner Meinung nach ganz woanders – nämlich bei den Eltern. Womit ich mich selbst explizit mit einbeziehe. Früher war es selbstverstndlich, dass ich schon der ersten Klasse mit dem Fahrrad zur 3 Kilometer entfernten Grundschule fuhr. Zuerst wurde der Weg in Begleitung der Eltern zu Fuß gelernt, nach ein paar Monaten zusammen mit dem Fahrrad absolviert und irgendwann – sicher aber schon in der zweiten Klasse – sind ich und meine Schwester dann alleine gefahren. Jetzt lamentieren alle „Aber heute ist doch viel mehr los!“ – Stimmt! Und zwar sind alle die los, die lamentieren. Gestern wurde das verniedlichend mit „Taxi Mama“ umschrieben. Die Eltern sagen es ist viel zu viel los auf den Straßen und bringen ihr Kind daher mit dem Auto zur Schule oder zum Kindergarten. Wobei gestern ganz klar gesagt wurde, dass die weiteste zurückgelegte Strecke bei knapp über 2 Kilometern liegt. 2.000 Meter meine lieben Leser! Das ist ein Katzensprung, auch für ein 6jähriges Kind. Und nicht jeder Weg führt über die Mindener Straße.

Nun sind wir bei den Eltern, die aus Sorge vor dem dichten Verkehr ihr Kind kutschieren. Was machen die? Richtig, die Verkehrsdichte enorm erhöhen. Das es so ist mag sich jeder selbst bestätigen, indem er einmal morgens um 7.45 Uhr die Eidinghausener Straße innerhalb und außerhalb der Ferien befährt. In den Ferien ist dort *nichts* los. Außerhalb der Ferien gibt es Rückstau von der Kreuzung zur Mindener Straße bis zu Fiat Blöbaum. Es ist eben ein hausgemachtes Problem.

Kindererziehung in der Schule ist richtig, wichtig und muß dringend mit so plastischen und praktischen Methoden vermittelt werden, wie sie Herr Spitta vorgestellt hat. Aber viel wichtiger ist die „Erziehung“ der Eltern. Die sind letztendlich verantwortlich für das, was auf der Straße passiert. Indem sie ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren, drehen sie die Spirale „auf der Straße ist es viel zu unsicher“ selbst immer weiter. Und das aus Bequemlichkeit – wie gesagt, ich nehme mich da nicht aus.

Heute morgen habe ich das Beschriebene dann auf dem Dörgen (30-Zone) wieder in Reinkultur erlebt. 7:40 Uhr, dicker Schulkinderverkehr, alle unterwegs Richtung Schulzentrum Nord. Dass die mitunter auch mal nebeneinander fahren stimmt, zwei Fahrräder nebeneinander sind aber auch nicht breiter als ein Auto. Und die Kinder fahren alle nicht langsam – ich muß da schon reintreten um vorbei zu kommen ;-) Jedenfalls bin ich nach meinem Tacho (ist laut GPS sehr genau) mit etwas über 30 Km/h unterwegs gewesen. Fahre dann an einigen rechts geparkten Autos vorbei, als mich in dem Augenblick, in dem ich hinter dem letzten geparkten KFZ ein wenig nach rechts schwenke, eine Mutter überholt. 2 oder 3 Kindergarten-Kinder im SUV und mit deutlichem Geschwindigkeitsüberschuß. Nach 50 Metern war ich neben ihr, da sie an der Einmündung zur Eidinghausener sowieso warten musste. Der Überholvorgang war zum Einen also verboten, zum Anderen völlig unnötig.

Ich habe erst überlegt, ob ich was sage. Aber angesichts des gestrigen Vortrags dann in Höhe der Fahrerin doch gehalten, um kurz mitzuteilen, dass für alle in einer 30-Zone die gleichen Höchstgeschwindigkeiten gelten. Das Gesicht kam mir gleich bekannt vor und Alex hat sich dann im Kindergarten auch sagen lassen müssen, dass die Frau einen „Disput“ mit mir gehabt hätte ;-) Ist halt eine Kleinstadt hier. Aber es ändert sich doch, nur weil man sich vom Sehen her kennt, nichts an der Tatsache, dass in diesem Fall deutlich zu schnell gefahren wurde. Und das im dichten Schulverkehr. Ich denke, dass ich auch weiterhin den Mund aufmache, wenn jemand sich derart verhält. Es geht hier um mein Kind, welches auch mal mit dem Rad zur Schule soll, um die anderen die dort unterwegs sind und nicht zuletzt um meine eigene Gesundheit. 45 oder 50 ist in einer 30-Zone nunmal zu schnell. Und wenn man sein Kind mit dem Auto kutschiert, weil der Straßenverkehr so gefährlich ist, dann sollte man sich kurz an seine Nase fassen und überlegen, warum das wohl so ist!

Über

Ich schreibe hier über Fahrrad(politik), Politik an sich, Technik, unsere Familie und alles was mich sonst so bewegt.

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