Fahrradfreundliche Berichterstattung
Neue Westfälische vom 25.11.2008
… Hinter der Kreuzung Pestalozzistraße kam es auf dem Zebrastreifen zu einem Zusammenstoß zwischen Auto und Fahrradfahrerin. Die junge Radlerin war zunächst auf dem rechtsseitigen Gehweg der Kirchbreite in der gleichen Richtung wie der Autofahrer unterwegs. Plötzlich, für den 60-Jährigen völlig überraschend, überquerte sie den Zebrastreifen …
… Am Auto wie am Fahrrad entstand Sachschaden in Höhe von zirka 1.150 Euro … Der Unfall passierte auf der Kirchbreite auf einem Zebrastreifen, in direkter Nähe zu den Schulen, innerhalb einer auf 30 km/h beschränkten Strecke – das entsprechende Schild noch in Sichtweite. Bei dieser Konstellation ist es genauso plötzlich und überraschend dass jemand den Zebrastreifen überquert, wie die Tatsache, dass Heiligabend auf den 24.12. fällt. Auf der Kirchbreite wird übrigens laut einer während der ASE am 29.05.2008 vorgestellten Verkehrserhebung eine Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp unter 60 Km/h gefahren.
Dass sich das Kind nach dem Schock vom Unfallort entfernte, erscheint mir nicht ungewöhnlich. Die Berichterstattung mit dem reißerischen „flüchtet nach Unfall“ und der damit verbundenen unterschwelligen Schuldzuweisung an die Radfahrerin ist leider auch nicht ungewöhnlich. In einer Stadt, die gerne das Prädikat „fahrradfreundlich“ erhalten möchte, sind Artikel über „rüpelhafte Radler“ im Kurpark und Radfahrern denen es in der Innnenstadt „an den Kragen“ geht, fast an der Tagesordnung.
Wie wäre es denn, zur Abwechslung mal die Verursacher der Unfälle beim Namen zu nennen? In den allerseltensten Fällen sind dies die Fahrradfahrer, die auf Radwegen an Einmündungen, Hofeinfahrten, Kreuzungen oder eben sogar Querungshilfen angefahren werden. Unangepasste Geschwindigkeit und Unaufmerksamkeit seitens der Autofahrer sind eher die Hauptgründe. Die werden aber in den entsprechenden Pressemitteilungen gerne mit der tiefstehenden Sonne – wahlweise Nebel – oder ungeschnittenen Hecken, welche die Sicht erschweren, entschuldigt.
Und was wird gegen die Unfälle getan? Werden die Autofahrer sensibilisiert? Wird nachdrücklich darauf hingewiesen, dass eine 30-Zone bedeutet, dass man dort wirklich nicht schneller als 30 Km/h fahren darf? Wird irgendwo deutlich erwähnt, dass in Deutschland die Radfahrer im Normalfall auf der Fahrbahn fahren und gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer sind – so wie es z.B. unser Bundesverkehrsminister vor Wochenfrist auf der ADFC-Versammlung erklärt hat? Nein, natürlich nicht. Die Radfahrer werden kontrolliert, auf Sonderwege verbannt und mit Informationsveranstaltungen bedacht. Das ist so, als wenn man einem Einzelhändler erklären möchte, dass Ladendiebstahl verboten ist.
Fahrradfahrer müssen nicht fahrradfreundlich gemacht werden – die sind es schon. Was ist mit den anderen?
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